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Ihnen, Fräulein Rosa,“ sagte sie, „daß Sie derartige Un—
wahrheiten über eine anständige Familie verbreiten. Wissen
Sie auch, daß man Sie dafür belangen kann? Ich werde
es für meine Pflicht halten, Frau Merk davon zu erzählen.“
Fräulein Rosa fiel keinen Augenblick aus ihrer Rolle.
„BesteFrau Schwarz, tun Sie, was Sie nicht lassen können,
aber Sie werden doch erlauben, daß man auch seine Ohren
und seine Augen hat. Sie sind eine so anständige, respek⸗
table Frau, daß Sie gut täten, recht bald den Verkehr mit
einer Familie abzubrechen, an der durchaus nicht so viel
dran ist, als Sie glauben. Ich könnte Ihnen hundert Zeu⸗
gen bringen, die dasselbe gesehen haben, wie ich. Glauben
Sie denn wirklich, daß das nicht zwischen Mutter und
Tochter eine abgekartete Geschichte ist? Fragen Sie doch
nur die Mutter Knabe im Keller, die wird Ihnen die Augen
öffnen! Man hat jetzt diese Familie Merk gründlich kennen
gelernt. Wo soll das auch herkommen, wenn der Vater
mit so gutem Beispiel seinen Kindern vorangegangen ist!
Wo Blut an den Händen klebt, da häufen sich nach und
nach alle unsauberen Dinge an. Meinen Sie nicht auch,
beste Frau Müller 7“
Die Mäntelnäherin wußte nicht mehr, was sie sagen
sollte; sie ging mit schwirrendem Kopfe.
Und Frau Müller erging sich nun in allerlei Betrach—⸗
tungen, die binnen wenigen Minuten Merks mit allen nur
möglichen Lastern behafteten. Fräulein Rosa spielte den
letzten Trumpf aus, der ihrer Überzeugung nach Merks für
ewig in diesem Hause das Spiel verderben mußte. „Hören
Sie nur, liebe Frau Müller, — man weiß, was im all—⸗
gemeinen an solchen Mädels dran ist, die mit Streichhölzern
und anderen Dingen aus einer Kneipe in die andere gehen.
O, man muß dieses saubere Weib da unten im Keller nur
kennen. Sie wissen, sie ist bereits einmal wegen Kuppelei
bestraft.“
„Fräulein Rosa, Sie machen mich wirklich neugierig;
aber, bitte verheimlichen Sie mir nichts. Ich habe immer