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Kindruck machen, als käme sie soeben vom Einkaufen und
hätte die Absicht, von einem Laden zum anderen zu gehen.
Sie hatte das der Madame Joachimsthal abgesehen.
Als die Kinder sie erblickten, hörte sofort das Lärmen
auf. Man umringte sie und gaffte sie an. Rosa neigte sich
zu einem kleinen Buben, der in seinem alltäglichen Anzug,
die Händchen auf dem Rücken, mit geöffneten Lippen gleich
den anderen staunend zu ihr aufschaute. Es war einer von
ihren Brüdern, der sie nicht sofort erkannte. Sie hockte
nieder, legte ihren Arm um seine Schulter und sagte: „Karl-
chen, kennst du mich noch? Rate mal, wer ich bin.“
Die Kinder wurden kühner und schlossen einen dichten
streis um sie. Der Knabe sah sie groß an, ohne eine Miene
zu verziehen und ohne einen Laut hervorzubringen. Rosa
streifte jetzt den Schleier bis zur Stirn zurück. „Kennst du
mich jetzt, du schmutziger Peter ?“ Sie lachte recht freundlich
und schüttelte ihn. „Ich bin ja die Rosa, deine Schwester
Rose, die jetzt eine feine Dame geworden ist. Kennst du
die Rose nicht mehr?“ Karlchen sah sie noch eine Weile
ungläubig an, dann wußte er nichts Besseres zu tun, als in
lautes Weinen auszubrechen und „Mama“ zu schreien!
„Aber Junge, bist du denn dumm?! Hör' auf, ich
habe dir auch Kuchen mitgebracht.“ Während sie sich mit
ihrem Brüderchen unterhielt, hatte sie nicht vergessen, hin
und wider einen Blick auf die Fenster zu werfen, um sich
zu überzeugen, ob man sie auch beobachte. Wirklich, da
zeigte die Neugierde bereits ihre Köpfe. Die Kinder wurden
jetzt zudringlich. Das war also die Rose? Wie die aussah!
Die Mädchen zupften an ihrem Paletot und der Feder
ihres Hutes. Plötzlich rief eines von ihnen laut zum vierten
Stock hinauf: „Mutter — das ist die Rose Jakob, die ist
eine feine Dame geworden!“
Rosa hätte den Balg dafür küssen mögen.
„Fräulein Rosa, sind Sie es wirklich?“ ertönte es
herab, „man hat sich schon gewundert, wie rasch Sie Ihr
Glück gemacht haben. Sie haben es bis zur Kammerjungfer
gebracht, nicht wahr? Ich weiß nicht gleich, wer mir das