— 220 —
einem „Herrn“ war charakteristisch; in dem einen Wort lag
die ganze Bedeutung des, Verhältnisses“, das den ehrlichen
Braͤutigam von vornherein ausschloß und nur den Mann
kannte, von dem man sich des Abends und des Sonntags
nachmittags ausführen ließ, um sich vortrefflich mit ihm
zu amüsieren.
Wenn Magda alle diese „Aufklärungen“ unfreiwillig
hinnehmen mußte, und ihre Kolleginnen dabei kein Blatt
vor den Mund nahmen, wenn während der Arbeit derartige
Gespräche fortgesetzt wurden und dabei die Männer wieder
und immer wieder die Hauptrolle spielten, so durfte sie
am Ende keine Spielverderberin sein; denn mit den Wölfen
muß man heulen. Sie war also gezwungen, wenigstens
äußerlich so zu tun, als stände sie bereits auf demselben
Standpunkt dieser jungen Dinger, die darin eine besondere
Genugtuung erblickten, bereits wie eine völlig Erwachsene
ihr Teil zu jeder heiklen Unterhaltung beizusteuern, um in
den Nerven ein prickelndes Gefühl zu erwecken. Sie wurde
von dieser Sphäre umnebelt, sie wußte nicht wie; das
kam von selbst, wie nach dem Gesetze einer ewigen Gewohn⸗
heit. Und da zeigte es sich denn, was während der Zeit
ihres Kneipenhandels an ihr sitzen geblieben war. Da
wurden mit Gewalt Erinnerungen wach gerufen, die nur
um deswillen versteckt in ihrem Innern geschlummert zu
haben schienen, um bei passender Gelegenheit desto ver—
ständlicher durch den Mund das Ohr einer Kollegin zu be—
rühren. Und wenn Magda sich dabei auch nichts dachte,
wenn ihre Seele rein blieb —: der Mund, der einmal ein
unsauberes Wort sprach, wiederholt gern ein zweites und
drittes. Diese Mädchen wunderten sich nicht darüber, das
war die Sprache ihrer Jugend, ihrer Erziehung, ihrer Ge⸗
wohnheit, der Umgangsformen der Hinterhäuser Berlins.
Sie kicherten und lachten und fanden, daß Magda ein
„nettes Mädel“ sei.
Und doch atmete Merks Tochter des Abends auf, wenn
die Feierstunde geschlagen hatte und sie die drückende Luft
der Arbeitsstube nicht mehr zu atmen brauchte. Vergessen