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Neuntes Kapitel

Full text: Die Verkommenen (Public Domain)

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einem „Herrn“ war charakteristisch; in dem einen Wort lag 
die ganze Bedeutung des, Verhältnisses“, das den ehrlichen 
Braͤutigam von vornherein ausschloß und nur den Mann 
kannte, von dem man sich des Abends und des Sonntags 
nachmittags ausführen ließ, um sich vortrefflich mit ihm 
zu amüsieren. 
Wenn Magda alle diese „Aufklärungen“ unfreiwillig 
hinnehmen mußte, und ihre Kolleginnen dabei kein Blatt 
vor den Mund nahmen, wenn während der Arbeit derartige 
Gespräche fortgesetzt wurden und dabei die Männer wieder 
und immer wieder die Hauptrolle spielten, so durfte sie 
am Ende keine Spielverderberin sein; denn mit den Wölfen 
muß man heulen. Sie war also gezwungen, wenigstens 
äußerlich so zu tun, als stände sie bereits auf demselben 
Standpunkt dieser jungen Dinger, die darin eine besondere 
Genugtuung erblickten, bereits wie eine völlig Erwachsene 
ihr Teil zu jeder heiklen Unterhaltung beizusteuern, um in 
den Nerven ein prickelndes Gefühl zu erwecken. Sie wurde 
von dieser Sphäre umnebelt, sie wußte nicht wie; das 
kam von selbst, wie nach dem Gesetze einer ewigen Gewohn⸗ 
heit. Und da zeigte es sich denn, was während der Zeit 
ihres Kneipenhandels an ihr sitzen geblieben war. Da 
wurden mit Gewalt Erinnerungen wach gerufen, die nur 
um deswillen versteckt in ihrem Innern geschlummert zu 
haben schienen, um bei passender Gelegenheit desto ver— 
ständlicher durch den Mund das Ohr einer Kollegin zu be— 
rühren. Und wenn Magda sich dabei auch nichts dachte, 
wenn ihre Seele rein blieb —: der Mund, der einmal ein 
unsauberes Wort sprach, wiederholt gern ein zweites und 
drittes. Diese Mädchen wunderten sich nicht darüber, das 
war die Sprache ihrer Jugend, ihrer Erziehung, ihrer Ge⸗ 
wohnheit, der Umgangsformen der Hinterhäuser Berlins. 
Sie kicherten und lachten und fanden, daß Magda ein 
„nettes Mädel“ sei. 
Und doch atmete Merks Tochter des Abends auf, wenn 
die Feierstunde geschlagen hatte und sie die drückende Luft 
der Arbeitsstube nicht mehr zu atmen brauchte. Vergessen
	        
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