Neuntes Kapitel.
Im Leben Leonhards und Oskars begann Magda eine
Rolle zu spielen. Noch waren sie zu jung, um die Allgewalt
der Liebe zu empfinden, um sich des unerklärlichen Etwas,
das sie zu Merks Tochter hinzog, in seiner völligen Be—
deutung bewußt zu werden; aber sie empfanden dasselbe:
daß Magda ihr erstes weibliches Ideal war, das ein jeder
dem anderen gönnte.
Seit vierzehn Tagen ging Magda nach einer Blumen⸗
fabrik, um das künstliche Zusammensetzen der Blätter
Blüten und Kelche zu erlernen. Frau Schwarz hatte Frau
Merk zu überzeugen versucht, das dies das beste sei. Wenn
sie fleißig sei, werde sie nach einem Vierteljahr bereits einen
Verdienst mit nach Hause bringen. Idas Fuß war wieder
geheilt, sie konnte also eines Morgens ebenfalls ihren
alten Gang nach der Landsbergerstraße antreten. Für
die Kinder sorgten die Mäntelnäherin und Dorchen, cs
war mithin die Aussicht vorhanden, daß alles wieder vor⸗
trefflich gehen würde.
Magda ging mit Lust und Liebe an ihre Arbeit. Sie
brauchte des Morgens erst eine Stunde später von Haufe
fortzugehen als ihre Mutter, sie fand also immer noch Zeit,
die Wohnung aufzuräumen, den Geschwistern den Kaffee
zu bereiten, dem Jüngsten die Flasche zu geben, ehe sie es,
von der kleinen Anna begleitet, zu Frau Schwarz hinunter⸗
trug. Wenn Merks Tochter dann kurz vor sieben Uhr, mit
chren eingewickelten Stullen in der Hand, durch die Straßen
ging, um im Strome der unzähligen Arbeiterinnen zu