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Erstes Kapitel

Full text: Die Verkommenen (Public Domain)

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Begriff war, ein Geschäft abzuwickeln. Ihre ganze Teil— 
nahme beschränkte sich darauf. Nur in Fällen, wo sie sich 
genötigt fand, ihre Meinung über den Wert irgend eines 
Gegenstandes auszusprechen, pflegte sie hinzuzufügen: 
„Moritz, zeig' mal her.“ Dann belasteten die beringten, 
fettigen Finger so lange, prüften die Augen durch eine 
Perlmutter⸗Lorgnette so eindringlich, bis Madames Wort 
den Ausschlag gab. 
Herr Moritz Isidor Laib nahm jedes einzelne Stück des 
Anzuges und besah es aufmerksam. Zugleich wandte er 
fich an Frau Merk: „Haben sie einen Steuerzettel oder 
Mietsquittung bei sich ?“ 
Ida holte die Legitimation hervor. Wie viel man denn 
auf den Anzug haben wolle? Viel könne er nicht geben, 
meinte Laib. Die Knopflöcher des Rockes seien nicht mehr 
recht im stande, das sei immer der ärgste Fehler bei einem 
derartigen Kleidungsstücke: überdies habe der Rock hinten 
auf dem Rücken Glanzstellen, die kein Fleckwasser heraus— 
bringe. Ida warf ein, daß das Zeug noch sehr wenig ge— 
tragen sei, und frug dann etwas kleinlaut, ob sie wohl acht 
Taler darauf bekommen könne, zwanzig habe er neu ge— 
kostet. Es sei ein sehr feines Tuch, man möge es nur einmal 
fühlen. Sie würde gewiß recht bald die Sachen wieder 
einlösen, es sei nur augenblickliche Verlegenheit, in der 
man sich befinde. 
„Gib nicht zu viel, Moritz, hörst du — ?“ klanq es wieder 
von Frau Serenens Lippen. 
Laib hatte auch schon die Kleidungsstücke von sich ge— 
stoßen; dabei erhob er die Hände wie abwehrend, schnitt 
eine Grimasse, die sich wie eine Art überlegenen Lächelns 
ausnehmen sollte, und sagte kurz und bündig: „Was Sie 
sich denken — auf einen getragenen Anzug acht Taler, 
da würden viele kommen! Ich kann Ihnen nicht mehr als 
vier Taler geben.“ 
Das sei schon das Höchste. Anderen würde er nicht so 
viel zahlen, aber er sehe, daß er es hier mit einer soliden 
Frau zu tun habe, die jedenfalls die Sachen wieder ein—
	        
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