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heimfallen wird: er wird frühzeitig die harte Schule des
Lebens kennen lernen müssen, wird mit erhabenen Ge—
danken im Herzen sich in der Tretmühle des Tages plagen
müssen und das gelobte Land immer nur von ferne sehen,
weil die Hand ihm fehlt, die der Kunst ein Opfer bringt.
Und so wird er eine Null des Tages bleiben, wird sich un—
glücklich fühlen in gemeinen Fesseln, die seine Seele be—
drücken, und dann wird er eines Tages zu den Leuten ge—
hören, welche grübeln und hadern mit dem Schicksal, und
trotz Genie und Können zu einer gar lustigen Person
werden, über die sich die Menge amüsiert. Aber, wir wollen
der Welt ein Schnippchen schlagen. Verlassen Sie sich auf
mich, meine verehrte Frau Merk, ich werde etwas für den
Jungen tun. Nicht wahr, mein kleiner Raffael, du wirst
mich morgen nachmittag einmal oben besuchen, da sprechen
wir wie zwei vernünftige Menschen zusammen. — Adieu,
meine liebe Frau Merk. Adieu, Sie Laune einer Winter—
nacht,“ wandte er sich zu Magda; „adieu, Kinderchen, bleibt
mir hübsch artig und gesund, hier, kauf' dir Kuchen, mein
Töchterchen —“
Er drückte der kleinen Anna ein Geldstück in die Hand
und verließ, fast tänzelnd, in halben Wendungen das
Zimmer. Unten schlüpfte er zu Fräulein Dorchen hinein.
Sie saß wie gewöhnlich vor der schnurrenden Maschine,
das Gesicht von der niedrigen, ihr zur Linken auf der Platte
stehenden Lampe hell beleuchtet.
Die Kleine erwiderte den Gruß des Komikers auf das
freundlichste, ohne den spinnenden Faden außer Augen zu
lassen; sie war es schon gewöhnt, daß Sängerkrug, ohne erst
eine Einladung abzuwarten, sich zu ihrer Rechten auf einen
Stuhl niederließ und mit vorgebeugtem Oberkörper, die
Arme über die Knie gelegt, so lange stumm ihrer emsigen
Tätigkeit seine Aufmerksamkeit lieh, bis ihre Füße die
Arbeit einstellten und die Rechte das Treibrad zum Still⸗
stehen zwang.
Dieses Viertelstündchen, das Herr Emanuel Sänger—
krug fast tagtäglich vor seinem Ausgang in Gesellschaft der