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Achtes Kapitel

Full text: Die Verkommenen (Public Domain)

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der Zeit getrieben hatte. Sie habe sich freiwillig dazu er— 
boten, in den Kneipen handeln zu gehen, um für die Mutter 
und ihre Geschwister zu verdienen. Wenn sie bei solcher 
Gelegenheit aufrichtige Tränen weinte, so erweckte sie das 
innigste Mitleid Idas, die in ihrer Tochter ihr eigenes Eben— 
bild erblickte. Das war dieselbe Aufopferung für die 
Nächsten, durch welche Frau Merk zur entsagungsreichen 
Mutter geworden war. 
Am Tage nach jener Nacht mußte man selbst Frau 
Schwarz und Fräulein Dorchen zu täuschen versuchen, 
Magda könne das Kinderschleppen nicht mehr vertragen; 
außerdem hätte man ihr zugemutet, des Abends sehr spät 
zu bleiben, und so habe Frau Merk ihre Tochter zu Hause 
behalten. Damit beruhigte man sich allgemein. 
Am Nachmittag beehrte Herr Emanuel Sängerkrug 
Merks mit seinem Besuch, um sich nach dem Befinden 
Magdas zu erkundigen. Als Ida ihm vom Bett aus die 
Hand reichte, standen ihr die Tränen in den Augen. Der 
Komiker fühlte, daß er sich hier in einer Welt befinde, die 
nichts mit jener des Scheins und des Schimmers zu tun 
habe, von deren hohlklingenden Brettern aus er allabendlich 
die Menge amüsierte Er zog also seine Glacéhandschuhe 
ab und drückte nun erst die ihm dargereichte Hand. Dann 
empfand er das Bedürfnis, gleich jedem wahren und echten 
Lustigmacher in Melancholie zu geraten. „... .O, meine 
verehrte Frau Merk, es ist nicht alles Gold, was glänzt, 
wir Künstler wissen das am besten. Glauben Sie nur: das 
Unglück ist die einzig echte Perle im Leben, das Glück ist 
nur das Schaumgold, das sie umhüllt. Ein gut Gewissen 
ist ein sanftes Ruhekissen, und wenn das letztere auch nur 
mit Stroh gefüllt ist. Wer da ruhig schlafen kann ......“ 
Und er seufzte auf und blickte zur Decke empor, über 
der zwei Stockwerke höher der Gegenstand seiner ewigen 
Seuszer thronte. Dann kniff er der neugierig vor ihm 
stehenden kleinen Anna in die Wangen und vergrub seine 
Hand in die hintere Rocktasche, um eine Apfelsine heraus— 
zuholen. „Hier, mein Töchterchen, teile dir das mi deinem
	        
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