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Siebentes Kapitel

Full text: Die Verkommenen (Public Domain)

191 — 
„Grad' aus dem Wirtshaus komm ich heraus 
Straße, wie wunderlich siehst du mir aus? 
Rechter Hand, linker Hand, alles vertauscht, 
Straße, ich glaube gar, du bist berauscht —“ 
Plötzlich bannte er seine Schritte und blieb stehen. Er 
stand vor Magda. Er beugte sich nieder und sagte pathe⸗ 
tisch: „Einsame Wanderin an der Straße des nächtlichen 
Lebens, sage an, was fehlt dir? Bist du eine alte oder eine 
ijunge, eine häßliche oder eine schöne Zigeunerin, um in 
der Sprache meiner Kunst zu reden? So es dir an einer 
Herberge gebricht, stehe mir Rede und Antwort. Es ist 
nicht gut, daß ein beklagenswertes Wesen, so man Mensch 
nennt, in dieser Nacht auf der Straße nächtige. Alldieweil 
es mir bereits des öfteren auf der Heerstraße meiner 
Künstlerlaufbahn so gegangen ist, weiß ich aus eigener Er⸗ 
fahrung, wie wohl dem Menschen unter Umständen ein 
warmes Bett und ein warmer Ofen ist. Heda — rühre 
dich, Tochter der Nacht!“ Er hatte die Hände aus seinen 
Armeln gezogen und rüttelte an Magda, die wie in bleierner 
Starre durch die Erschütterung aus ihrer Lage kam, aber 
keinen Laut von sich gab. 
„So zeige mir dein Gesicht, auf daß ich den Stempel 
Gottes sehe.“ Er erhob jetzt ihren Kopf, trat beiseite, 
damit der Schein der nächsten Laterne auf die Schlafende, 
falle, und erkannte nun Merks Tochter. Erst starrte er die 
vor ihm Sitzende an, als hätte er sich getäuscht; dann wußte 
er, daß er sich nicht geirrt habe. In unheilvoller Ahnung 
rüttelte er mit aller Macht an Magda. Er fühlte an ihren 
Händen, die eisig kalt waren; er legte sein Ohr an ihren 
Mund, um den Atem, der kaum merklich ihre Brust hob 
und senkte, zu spüren, und wurde von einer entsetzlichen 
Aufregung gepackt, die ihn ernüchterte. 
Aus dem betrunkenen Komiker wurde ein barmherziger 
Samariter. Er blickte die Straße rechts und links hinunter, 
und brüllte förmlich: „Wächter! Wächter!“ durch die Nacht. 
Der graue Zylinder fiel ihm vom Kopf und rollte über das 
Trottoir; er achtete nicht darauf. In seiner Herzensangst
	        
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