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Siebentes Kapitel

Full text: Die Verkommenen (Public Domain)

19209 
auf offener Straße seine Monologe hielt: über die Undank⸗ 
barkeit der Welt, über vertrocknete Lorbeerkränze, über 
— 
armen Kindlein und über D:2der Dierling. 
„Das ist ein miserables Matter,“ rief er durch den 
treibenden Schnee. „Wie, was? Haben Sie vielleicht etwas 
dagegen?“ Er blieb vor einer Laterne stehen und blickte zu 
ihrem erleuchteten Haupt empor. Und den Zylinder weit 
im Nacken sitzend, den Rockkragen in die Höhe geschlagen 
und seine Hände in den Ärmeln wie in einem Muff ver⸗ 
wahrt haltend, sprach er weiter: „Prahlen Sie doch nicht 
so mit Ihrem bißchen Licht, Sie winziges Flämmchen der 
großen Erleuchtung unserer weisen Väter der Stadt. Ja, 
rede nur, strecke dein Zünglein rechts und links, ich verstehe 
deine Sprache, denn ich bin groß geworden am Quell 
des Lichts. Aber was bist du Nachtlampe in diesem unend⸗ 
lichen Raum gegen die allgewaltige Flamme, die im Herzen 
von Frau Zierling glüht, schwelgt und prasselt, alles aus 
Liebe zum beklagenswerten Herrn Emanuel Sängerkrug. 
Schweige, hörst du, und labe dich an den weißen Motten, 
die vom Himmel zu dir herunterschwirren.“ Er machte 
eine Pause und blickte noch immer in das flackernde Licht. 
Dann fuhr er fort: 
„Was summst du da in deinem Glaskasten? Du 
meinst, zum Licht dränge sich alles, jedes Wesen kehre zum 
Licht zurück? Hast du vielleicht Schillers „Tell“ gelesen 
und des Melchthals erhabene Gedanken verstanden? Ja, 
ja, Beschützerin der Betrunkenen und Verirrten, gebrauche 
nur deine Zunge weiter, ich verstehe dich, aber ich danke 
für dein Kompliment. Ich will nicht mehr das große Licht 
sein, zu dem Frau Friederike ewig zurückkehrt, um sich an 
seinen Strahlen zu erwärmen. Hörst du? Schweige! 
Und sorge dafür, daß das Goethesche „Mehr Licht“ sich bis 
nach der Gerichtsstraße ausdehne. Hast du verstanden? 
Na, gut, — leuchte ruhig weiter.“ 
Und er schritt hinfort und fing laut an zu singen.
	        
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