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Siebentes Kapitel

Full text: Die Verkommenen (Public Domain)

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Seitenstraße einbiegen wollte. Sie kannte ihn als einen 
der ärgsten WüstlingeBerlins, der allabendlich bei Laternen⸗ 
schein das Lindenviertel durchstreifte, um mit seinen 
Augen junge, unverdorbene Mädchen zu verschlingen. Sonst 
war er ein sehr bekanntes Mitglied des Unionklubs, und bei 
Hiller und Dressel als ein ausgezeichneter Gourmand be— 
kannt. Seine Frau lebte von ihm getrennt, und man sagte, 
daß seine eigenen Töchter sich vor ihrem Vater auf der 
Straße schämten. Der Portier seines Hauses in der Doro— 
theenstraße hätte einem Dutzend Sittenschilderern Stoff 
zu ihren Romanen geben können, wenn er aus der Schule 
geplaudert haben würde. Aber dieser Herr, der jetzt vor der 
Mutter Knabe stand, dessen lange, hagere Gestalt in einem 
dicken Pelz steckte, war sehr reich und führte einen Namen, 
der zu den ältesten des Landes zählte. Er war ein Protek— 
tor der Waisen und Witwen, sein Name stand unter jedem 
Aufruf, der an die Wohltätigkeit Berlins appellierte, un⸗ 
zählige Kreaturen zogen tief den Hut vor ihm, und doch war 
er ein durch und durch moralisch verkommenes Subijekt. 
Die äußerliche Verkommenheit armer, beklagenswerter 
Seelen nohm sich der seinigen gegenüber aus wie der rein— 
leuchtende Diamant im Schmußtz der Straße. 
Mutter Knabe blickte rechts und links, die Straße war 
leer. 
„Ich habe etwas für Sie, Herr Graf,“ begann die 
flüsternd und pries ihre Ware an. 
Man wurde einig. „Ich lasse die Haustür auf, Sie 
wissen doch?“ Das alte Weib nickte, dann schritt sie über 
den Damm, während der feine Herr langsam seiner Wege 
ging. 
Merks Tochter war nahe daran einzuschlafen, als die 
Alte wieder vor ihr stand und sie aufweckte. Sie gingen 
beide nebeneinander her, Magda wußte nicht, wohin; ihr 
Kopf war ihr schwer wie Blei, und der Schlaf lag ihr in 
allen Gliedern. Sie entsann sich nur dunkel, daß sie, von 
ihrer sauberen Lehrherrin geleitet, eine Treppe hinauf- 
stieg, in der Meinung, sie befinde sich bereits in der Ge—
	        
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