82
stolz wie früher über den Hof ging und keinen Menschen be—
achtete. Aber sie spielte die Liebenswürdige weiter. Was
denn Kaulmann mache, der lange Lulatsch, der sich mal
eingebildet habe, sie zu heiraten ? Sie bitte Magda, ihm nur
recht ausführlich zu erzühlen, wie vortrefflich es ihr ginge
und wie sie sich herausgemustert habe. Der würde gewiß
bersten vor Neid und seine sämtlichen Flüche zum besten
geben, um über ein so gottvergessenes Geschöpf zu Gericht
zu sitzen, aber was sie wohl dafür könne, wenn jemand
einen Nagel in seinem Kopf mit sich herumtrüge, der schwer
herauszuziehen sei?
Rosa machte dann Magda allerlei Vorschläge. Sie be—
greife nicht, wie man ein Vergnügen daran finden könne,
so in den Kneipen hausieren zu gehen und für ein paar
lumpige Groschen sich die Nächte um die Ohren zu schlagen.
„Du solltest den ganzen Krempel beiseite werfen und in
irgend ein Geschäft gehen,“ sagte sie, „du wirst dein Leben
bald genießen lernen. Es findet sich dann bald ein Lieb—
haber, der dich des Abends abholt und mit, dir ausgeht.
Besuche mich doch einmal in meiner Wohnung. Ich werde
etwas unter meiner Kleidung hervorsuchen, das ich dir
schenken oder vorläufig leihen kann. Wir haben ein und
dieselbe Figur, das wird sich vortrefflich machen. Du
solltest dir auch eine vernünftige Freundin halten! Ich
meine es wirklich gut mit dir. Wir Arbeiterkinder müssen
nun einmal allein unser Heil versuchen im Leben, dem
wenn wir immer auf das hören sollten, was unsere Eltern
sagen, dann würden wir uns ewig schinden und plagen
können, ohne etwas vom Leben zu genießen. Schmeckt
der Wein nicht ganz vortrefflich? Siehst du, das nennt
man erst Leben, wenn man das jeden Abend so haben kann.
Und weshalb solltest du es nicht auch können? Es läge
nur an dir. Prosit! Der schläft wie ein Bär und braucht
nicht mehr zu trinken.“
Merks Tochter hatte ein rotes Gesicht bekommen. Es
war heiß im Zimmer, und der Wein hatte ihr Gehirn um
so mehr erhitzt, als sie noch nichts gegessen hatte. Am Ende