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Siebentes Kapitel

Full text: Die Verkommenen (Public Domain)

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stolz wie früher über den Hof ging und keinen Menschen be— 
achtete. Aber sie spielte die Liebenswürdige weiter. Was 
denn Kaulmann mache, der lange Lulatsch, der sich mal 
eingebildet habe, sie zu heiraten ? Sie bitte Magda, ihm nur 
recht ausführlich zu erzühlen, wie vortrefflich es ihr ginge 
und wie sie sich herausgemustert habe. Der würde gewiß 
bersten vor Neid und seine sämtlichen Flüche zum besten 
geben, um über ein so gottvergessenes Geschöpf zu Gericht 
zu sitzen, aber was sie wohl dafür könne, wenn jemand 
einen Nagel in seinem Kopf mit sich herumtrüge, der schwer 
herauszuziehen sei? 
Rosa machte dann Magda allerlei Vorschläge. Sie be— 
greife nicht, wie man ein Vergnügen daran finden könne, 
so in den Kneipen hausieren zu gehen und für ein paar 
lumpige Groschen sich die Nächte um die Ohren zu schlagen. 
„Du solltest den ganzen Krempel beiseite werfen und in 
irgend ein Geschäft gehen,“ sagte sie, „du wirst dein Leben 
bald genießen lernen. Es findet sich dann bald ein Lieb— 
haber, der dich des Abends abholt und mit, dir ausgeht. 
Besuche mich doch einmal in meiner Wohnung. Ich werde 
etwas unter meiner Kleidung hervorsuchen, das ich dir 
schenken oder vorläufig leihen kann. Wir haben ein und 
dieselbe Figur, das wird sich vortrefflich machen. Du 
solltest dir auch eine vernünftige Freundin halten! Ich 
meine es wirklich gut mit dir. Wir Arbeiterkinder müssen 
nun einmal allein unser Heil versuchen im Leben, dem 
wenn wir immer auf das hören sollten, was unsere Eltern 
sagen, dann würden wir uns ewig schinden und plagen 
können, ohne etwas vom Leben zu genießen. Schmeckt 
der Wein nicht ganz vortrefflich? Siehst du, das nennt 
man erst Leben, wenn man das jeden Abend so haben kann. 
Und weshalb solltest du es nicht auch können? Es läge 
nur an dir. Prosit! Der schläft wie ein Bär und braucht 
nicht mehr zu trinken.“ 
Merks Tochter hatte ein rotes Gesicht bekommen. Es 
war heiß im Zimmer, und der Wein hatte ihr Gehirn um 
so mehr erhitzt, als sie noch nichts gegessen hatte. Am Ende
	        
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