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prach, und trotz des Lallens, das sich allmählich bei ihm
einzustellen schien. Er gähnte fortwährend, streckte die
Beine flegelhaft weit von sich und riß die Augen mit Ge—
walt auf. Wenn er allein war, pflegte er kurz abgebrochen
zu sprechen, als wollte er irgend einem Straßenstutzer nach⸗
ahmen. Eigentlich aber war es eine Gewohnheit, die er
fich von Herrn von Rollerfelde angeeignet hatte und die
er so vortrefflich fand, daß er sie in Gesellschaft Rosas nur
zu gern laut werden ließ. „Wo Kerle heute bleiben, scheuß⸗
liche Angewohnheit, immer spät kommen,“ sagte er jeht,
indem er abermals gähnte. Dann bemerkte er Magda,
ohne sie näher zu mustern.
„Komm' mal her, Mädel, zeig' mal, was du hast,“
sagte er und beugie sich, ohne seine bäuerische Lage viel
zu verändern, über die Lehne des Sofas.
„Kaufen Sie dem armen Mädchen etwas ab,“ meinte
die Mamsell und trank ihm dabei den Rest seines Weines
vor der Nase aus.
Und Rosa fiel gleich ein: „Ja Felix, nimm nur dem
armen Geschöpf etwas ab, sieh nur, wie dünn sie gekleidet
geht bei der Kälte!“ Sie hatte Mut bekommen. Wie diese
Nadelstiche treffen mußten! Weshalb war Magda auch
gerade die Tochter jenes Merk, der ihren Vater erschlagen
hatte. Sie vergaß ganz, daß man sie eigentlich dadurch von
einer Last befreit hatte; jetzt fühlte sie nur das Bedürfnis,
für sich selbst eine Ausrede zu haben, wenn sie diesem Ge—
schöpf dort zu einer Peinigerin wurde. Die sollte doch nur
einmal die freche Stirn haben, ihr hier in diesem Lokal
irgend etwas zu erwidern, was ihr nicht paßte. Da käme
sie vom Wirt schneller hinaus, als hinein.
Rosa Jakob fuhr in einem Atem fort: „Kauf' mir auch
eine Schachtel Wachsstreichhölzer und dem Fräulein eben⸗
falls. Und dann sei nicht so knickerig und gib ihr ein an—
ständiges Trinkgeld, hörst du, sie verdient es. Gewiß hat
sie keinen Vater mehr, der für sie und ihre Mutter arbeiten
kann.“ Sie hätte hinzufügen mögen: „denn er sitzt wegen
Totschlags im Gefängnis,“ aber ihre höhnische Betonung
MaxKretzer. Die Verkommenen 12