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Rosa geriet in die lebhafteste Stimmung, wenn sie sich
in Gesellschaft Egons und Pauls befand. Sie konnte hier
so recht Vergleiche zwischen dem häßlichen Rosenstiel und
den beiden Aristokraten anstellen. Es war ihr dann gleich—
sam, als befände sie sich in einer höheren Sphäre. Stunden⸗
lang hätte sie so sitzen können, um die Schmeicheleien der
Herren mit anzuhoören. Felix erschien ihr dann wie eine
Nebenperson, der man keine weitere Beachtung zu schenken
brauchte. Mit dem würde sie doch über kurz oder lang
brechen, das war ihr eine ausgemachte Sache. Sie kokettierte
mit Rollerfelde und von dem Bache und warf heiße, sehn⸗
sfüchtige Blicke von einem zum anderen, als wüßte sie noch
nicht recht, wem sie die meiste Gunst entgegenbringen solle.
Wenn sie dann das zweite Glas Wein getrunken hatte, nahm
sie ihre alte Sprechweise, den Ton der Vorstadt, wieder an.
Die Redewendungen der Straßenkinder gelangten zum
Durchbruch und ihren Lippen entfloh irgend ein schlüpfriges
Wort, das nur in der allgemeinen Weinlaune ungewürdigt
bleiben konnte. Heute war sie gerade dabei, ihren jugend—
lichen Geliebten in die interessanten Einzelheiten eines
großen Konfektionsgeschäftes einzuweihen. Da kämen nette
Geschichten vor. Vom Chef bis zum Lehrling sei das eine
Gesellschaft, die, wenn sie mit den Konfektioneusen unter
sich sei, Anekdoten erzählte, vor denen sich die Straßenkehrer
bedanken würden. Da hätten die Chefs hinter ihrem
Kontor ein gewisses Sprechzimmer, das nur zu den
Unterredungen für die Geschäftsdamen unter vier Augen
da sei. Man könne sich schließlich nicht wundern, wenn
—
keinen Respekt mehr vor den Probierdamen habe und
schließlich einer von ihnen irgend eine gemeine Zumutung
stelle. Nach solchen untergeordneten Judenbengels habe sie
gerade ausgesehen!
Sie schlug sich auf den Mund und verbesserte sich sofort
mit den Worten: „Entschuldige nur, lieber Felix, aber es
war mir so herausgeplatzt. Du wirst mir das nicht übel—
nehmen, du weißt ja, was ich eigentlich unter Judeubengel