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Siebentes Kapitel

Full text: Die Verkommenen (Public Domain)

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Jestreben zeigt, die Passionen der guten Gesellschaft auch 
zu den seinigen zu machen und seine Abstammung soviel 
als möglich zu verleugnen. Sein Mutterwitz, die ganzen Vor— 
züge seines Berufes, die darin bestanden, von ollem etwas 
zu wissen, ohne tiefer denken und fühlen zu brauchen, kamen 
ihm dabei vortrefflich zu statten. Er sprach über Theater 
und Konzert mit derselben Leichtigkeit, wie über das Ballet 
und verstand, mit seinen Kenntnissen vom Renn⸗ und Jagd— 
sport zu prahlen. Dabei ließ seine fließende Unterhaltungs— 
gabe und oft auch große Verstandesschärfe niemals die Ver— 
mutung aufkommen, daß diese mosaikartige, oberflächliche 
Vielwisserei eigentlich nur das Ergebnis eines eifrigen 
Studiums des „Börsen⸗-Läufers“ sei, dessen Spalten er tag— 
täglich mit demHeißhunger eines Zeitungswolfes durchflog. 
Wenn das auch die einzige UÜberlegenheit war, mit der er 
zu imponieren verstand, so wußte er sich doch in dem Kreise 
seiner Zechgesellschaft den Anstrich eines jungen Mannes 
von guter Erziehung zu geben, gegen den man nicht unan⸗ 
genehm werden dürfe, ohne die Höflichkeit zu verletzen. 
Außerdem hatte er es bald verstanden, sich mit der 
schlauen Berechnung eingefleischter Zahlenmenschen seinen 
Freunden verbindlich zu machen. Ein paarmal war es vor⸗ 
gekommen, daß er Egon von Rollerfelde sowohl als auch 
Paul von dem Bache, die beide im Laufe des Monats oft 
über ihren Etat hinausgingen, in fast zudringlicher Weise 
feine Börse zur Verfügung gestellt hatte, welches Anerbieten 
die beiden Adeligen denn auch im Leichtsinn ihrer Jugend 
nicht zurückwiesen. Damit war man denn gleich in eine 
Vertraulichkeit zu einander getreten, die nicht mehr gut 
rückgängig zu machen war. Man mußte nur hören, wenn 
Rosenstiel von seiner Geliebten sprach — in einem welt⸗ 
männischen Tone, als verstünde es sich ganz von selbst, daß 
ein Mensch in seinem Alter bereits ein Verhältnis haben 
müsse, mit dem man sich über die Langeweile des Lebens 
hinwegzuhelfen trachtete. Das schien ihm wie die beste 
Empfehlung in den Augen jener Leute, die wie er das Leben 
genießen wollten, so lange sie jung waren.
	        
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