Path:
Erstes Kapitel

Full text: Die Verkommenen (Public Domain)

8 — 
hört. Ihn brauchte sein Weib am Abend des Lohntages 
nicht vor dem Fabriktor zu erwarten, aus Angst, er könnte 
gleich so manchem sauberen Gesellen, der am Sonnabend 
zuerst an das Vergnügen dachte, ehe er das Wirtschaftsgeld 
zu Hause ablieferte, zum nächsten Schankwirt gehen, um 
sich dort auf Stunden festzusetzen. Er war immer ein guter 
Gatte, ein sorgender Vater gewesen, der mit Liebean seinen 
Kindern hing. Wenn er wirklich in Zeiten der Arbeit 
des Sonnabends nach Feierabend beim alten Krumm⸗ 
holz in der Chausseestraße einkehrte, so geschah es nur, um 
binnen zehn Minuten eine kleine Weiße zu leeren und dann, 
ohne sich beschwatzen zu lassen, den Kreis der zechenden 
Kollegen zu verlassen. Er gönnte sich zum Schluß noch eine 
besonders gute Zigarre zu acht Pfennigen, von der Papa 
Krummholz behauptete, sie wäre würdig, Unter den Lin— 
den geraucht zu werden, und steuerte dann seiner Woh—⸗ 
nung zu. 
Als Ida durch die Straßen schritt, mußte sie lebhaft an 
jene Zeiten denken. Gott, wie war das anders geworden! 
Während andere mit vergnügtem Gesicht ihrem Heim zu⸗ 
steuerten, irrte Merk vielleicht umher, weil er soviel wie 
möglich die Stunde hinausschieben wollte, in der er wie 
gewöhnlich seinem Weibe sagen mußte, daß seine Bemü— 
hungen wieder ohne Erfolg gewesen waren. O,sie kannte 
ihn darin, diese Zagheit sah ihm ähnlich! 
Nach einer Viertelstunde war Ida an ihrem Ziele an⸗ 
gelangt. Sie stand vor einem vierstöckigen Gebäude, dessen 
einnehmendes Außere nichts von dem Schmutz verriet, 
der sich auf Flur und Treppen zeigte. Hwischen zwei 
Fenstern des Parterregeschosses leuchtete ihr ein großes 
rotes Schild mit der weißen Aufschrift: „Ein⸗ und Verkauf 
von Betten, Möbeln, Wäsche, Kleidungsstücken, Gold- und 
Silbersachen“, entgegen. Einen Augenblick zögerte Ida im 
Flur. Sie bannte ihre Schritte wie jemand, der im nächsten 
Augenblick eine Schwelle übertreten soll, von der er sich 
im Innern weit weg wünscht. Was sie jetzt da im Arme 
trug, war ein Teil ihres früheren Glücks. Wie stattlich
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.