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Vierzehntes Kapitel

Full text: Die Verkommenen (Public Domain)

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ihr wie die einzige Vertraute, der sie ihr Herz ausschütten 
könne. Ost, wenn sie die Verwachseneé halb schläfrig auf 
den unteren Treppenstufen eines Flures sitzend vorfand, 
gesellte sie sich auf einige Minuten zu ihr, um mit ihr ein 
paar Worte zu plaudern. Die „Lucca“ wußte mit allem 
Bescheid, kannte halb Berlin und genierte sich durchaus 
nicht in ihren Gesprächen. Sie war mit der Zeit abge— 
stumpft gegen alles geworden, was sie umgab. Von jeder 
Kneipmamsell hatte sie etwas zu erzählen, von jedem 
Wirte kannte sie irgend ein schlüpfriges Geheimnis, das sie 
mit stärkstem Ausdruck wiedergab. Magda gewöhnte sich 
so sehr an diese Sprache, daß sie unwillkürlich hin und 
wieder selbst ein ähnliches Wort gebrauchte. Es dauerte 
nicht lange, so hatte sich ein Teil jenes Gifthauches, den das 
große, rauschende Berlin bei Nacht ausstößt, gleichsam, als 
wollte es die reinen Eindrücke des Tages gewaltsam er— 
sticken, auf ihre Seele gelegt und begann sie zu trüben. 
Es war Ende November. Magda hatte den Rosen 
bereits die Streichhölzer folgen lassen, als sie eines Abends 
in eine jener Kellerkneipen der Friedrichstadt geriet, die 
durch die Aufschrift ihrer Firmenschilder: „Wein und echte 
Biere. (Cabinets apartes“ die größte Anziehungskraft 
auf junge und alte Lebemänner auszuüben pflegten. 
Hier trugen sich die Kellnerinnen nur in Atlas und Seide, 
hier zechte in versteckten Hinterzimmern die goldene Jugend 
bis zum frühen Morgen, hier wurden hinter den schweren 
Vorhängen die ärgsten Zoten gerissen, hier standen die 
Gäste, wie in den Ballhäusern, mit den bedienenden 
Heben auf du und du. 
Als Magda das hinterste Zimmerchen, in dem nur ein 
einziger Tisch stand, erreicht hatte, erblickte sie Felix Rosen— 
stiel. Zu jeiner Linken auf dem Sofa saß eine der be— 
dienenden Mamsells und zu seiner Rechten — Magda traute 
ihren Augen kaum — Rosa Jakob, die sich seit dem ersten Ok⸗ 
tober in einem großen Konfektionsgeschäft am Hausvogtei— 
platz befand. Während der letzten Monate hatte sie sich so 
stark entwickelt, daß sie wie ein kräftiges, achtzehnjähriges
	        
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