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willigen Gastvorstellungen so gewöhnt, daß sie förmlich
darauf ausging, neue Lieder auswendig zu lernen, deren
prickelnder Inhalt ihre Gäste amüsieren könne.
Es verging kein Abend, wo Magda nicht einer der⸗
artigen Sangesszene beiwohnte. Einmal fragte sie die
Pseudo⸗-Lueca auf der Straße: „Weshalb tun Sie denn
immer den Leuten den Gefallen und singen? Ich würde
das nicht an ihrer Stelle. Sie haben es auch nicht nötig.
Aber jetzt ist es zu spät. Sie hätten das von Anfang an
nicht machen müssen.“
Die Bucklige schwieg eine Weile, dann erwiderte sie:
„Ich habe eine alte Mutter zu ernähren, auch noch einen
kleinen Bruder. Wenn ich jetzt singe, kaufen mir die Gäste
viel mehr ab, als sonst, also verdiene ich auch mehr. Ge—
schäft ist Geschäft.“
Magda konnte darauf nichts erwidern. Als sie aber
wieder eines Abends die Bucklige erblickte, wie sie in einer
bekannten Studentenkneipe der Markgrafenstraße auf
einem Tisch stand, ein gemeines Couplet sang und sich
dabei allerlei Handgreiflichkeiten gefallen lassen mußte,
war es Merks Tochter, als müßte sie die Verwachsene
von ihrem Platz herunterreißen, sich selber auf den Stuhl
stellen und laut durch das Lokal schreien, daß das eine
Schande sei. Aber sie tat es nicht. Einer der Gäste winkte
sie zu sich heran, kaufte ihr etwas ab, faßte sie am Kinn
und sagte zu seinem Nachbar: „Da lob' ich mir doch so
ein hübsches Mädel, meinst du nicht auch, Kleine?
Magdas Gedanken waren sofort bei ihrer Mutter und
ihren Geschwistern, und sie dachte: „Wenn du dir das
nicht gefallen läßt, kaufen sie dir nichts mehr ab.“
Und dabei blieb's. Aber Magda fand in diesen Kneipen
oft auch gute Menschen. Da saß wohl allein am Tisch ein
Künstler, Dichter oder Student, der stumm beim Glase
Bier seine Studien machte und die Szene soeben beobachtet
hatte. Wenn die Reihe zum kaufen an ihm war, bekam
Magda etwas in die Hand gedrückt, ohne daß sie ihre Waren
angepriesen hatte. Und in dem langen, mitleidigen Blick,