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fonnte man erst die Verworfenheit gewisser Kreise kennen
lernen. Da schämte sich nicht derselbe Mund, zu diesem
Mädchen von Dingen zu sprechen, die er vor einer halben
Stunde zu der Dame seines Herzens nicht über die Lippen
gebracht haben würde. Darin blieben sie sich alle gleich,
Väter, Brüder und Söhne.
Die Anekdoten, die an den Tischen die Runde machten,
blieben ebenso gemein, als stünde Magda nicht dabei.
Hatte sie dann lange genug ihre Ware hingehalten, so ließ
endlich einer seine Hand mit dem Gelde klappern, um die
kleinsten Münzen herauszusuchen. Und dann hafteten seine
Blicke länger als sonst auf dem armen Mädchen, wobei er
plötzlich entdeckte, daß das Gesicht des „Kindes“ vor ihm
doch eigentlich ein wunderschönes, wenn auch elend aus—
sehendes sei mit großen, braunen Augen; daß unter dem
häßlichen Schaltuch sich schon Formen zeigten, die knos—
penden Formen der heranreifenden Jungfrau. „Hier,
meine Tochter,“ hieß es dann, „behalte das übrige nur.“
Und während Magda leise ihren Dank äußerte, fühlte
sie, wie die eine Hand des „großmütigen“ Spenders sich
ungeniert um ihre Taille legte. Ein anderer sagte zu
seinem Nachbar: „Noch zwei Jahre — was meinen Sie
wohl, wie sich das Mädel da entwickelt hat.“ Ein dritter
fügte hinzu: „Spaß, und wenn sie dann feine Kleider
trägt, was meinen Sie wohl —“
Gleich Merks Tochter handelten noch viele Mädchen
mit Rosen und mannigfach anderen Dingen, von denen man
hoffte, in den Kneipen eiwas loszuschlagen. Unter diesen
Mädchen lernte Magda ein erwachsenes Geschöpf kennen,
das aber bedeutend aͤlter war als sie. Sie war nicht gerade
häßlich, diese Händlerin, und hätie ihr Kopf auf einer an—
deren Figur gethront, so hätten Kenner weiblicher Schön—
heiten sie vielleicht für interessant gehalten, so aber gaben
der kurze Hals, die Verwachsung der ohnehin schon kleinen
Gestalt ihrer Erscheinung eiwas Koboldartiges, Unansehn—
liches, den Spott Herausforderndes. Jahrelauges, nächt—
liches Herumtreiben in den öffentlichen Lokalen, mangelnder
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