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warten mußte, weil sie es nicht wagte, mit ihrem Korb
durch Zipfels Budike zu gehen, wußte sich Ida keinen an⸗
deren Rat, als daß sie meinte, Magda solle sich für alle
Fälle den Hausschlüssel mitnehmen. Was sollte sie auch
anderes machen? Das Mädel war ja groß und verständig
genug, um zu wissen, was es tat. Schließlich war Ida
schon so sehr daran gewöhnt, allabendlich das Markstück in
Empfang zu nehmen, daß sie keinen Widerspruch mehr
machte.
Und Magda blieb bei alledem anscheinend immer die—
selbe, denn ihre Seele war noch ungetrübt, und der Glanz
der Unschuld umstrahlte sie noch. Sie fand auch Gelegen—
heit zum sparen, denn oftmals gab man ihr mehr, als
sie verlangte. Aber wie mußte sie sich diese wenigen
Groschen UÜberschuß verdienen! Das waren die Trink—
gelder, die sie mit der Gemeinheit einstecken mußte. Was
vernahm ihr Ohr dafür nicht alles, wenn sie in irgend einer
Kneipe ihr Heil versuchen mußte! Wer von den oft halb
bezechten Gästen dachte wohl daran, daß das Mädchen vor
ihm erst vierzehn Jahre zählte, daß es doch noch ein halbes
Kind war; wer von ihnen entsann sich wohl im Augenblick,
daß er der Bruder einer ebenso alten Schwester, daß er
der Vater einer gleich alten Tochter sei? Niemand!
Nach der Ansicht dieser Leute konnte an Magda nichts
mehr verdorben werden, denn — sie handelte mit Rosen.
Und doch hätte Merks Tochter niemals geglaubt, daß es
außer den verwahrlosten Kindern der Vorstadt auch Men—
schen geben könne, die noch ganz andere Worte gebrauchen,
deren Bedeutung sie nicht verstand, und die doch ihr Ge—
sicht erglühen machten — und obendrein solche feine
Menschen mit schneeweißen Chemisettes und goldenen Uhr—
ketten! Auf was sollte man auch Rücksicht nehmen? Auf
das häßliche, grünlich-gelbe Schaltuch, in dem das Auge
doch kein Löchchen erblicken konnte? Auf das abscheuliche,
graue Kleid, das doch so sauber geflickt war? Gewiß nicht!
Das ist das Vorrecht der Armut, daß sie sich alles gefallen
lassen muß. In den Kneipen mit weiblicher Bedienung