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Magda hörte das alles mit an, ohne eine Silbe zu er—
widern, aber bei jedem Wort dünkte es ihr, als brennte
ihr Gesicht immer heißer, und als müßte sie vor ihrer
Mutter niederfallen, um sie dafür um Verzeihung zu
bitten, daß sie sie belogen habe. Aber sollte sie ihr mit
einem Schlage wieder alle Hoffnung rauben — gerade
jetzt, wo es ihr schien, daß zum ersten Mal seit langer Zeit
wieder ein Lächeln die Züge der Kranken verkläre Nein!
Der erste rollende Stein auf der schiefen Ebene des Lebens
hatte sie gepackt und riß sie mit sich fort. Als sie sich
aber auf ihren Strohsack niedergelegt hatte und die Dunkel⸗
heit sie umgab, vermochte sie lange Zeit nicht zu schlafen.
Böse Träume ängstigten sie, sie waälzte sich auf ihrem
Lager und sprach ein paarmal im Schlaf, sodaß die Mutter
laut ihren Namen rufen mußte.
Am anderen Vormittag achtete Ida darauf, daß Magda
sich so nett als möglich kleidete und recht reinlich erschien.
Der Wendepunkt in Magdas Leben war eingetreten.
Nach acht Tagen bereits hatte Mutter Knabe sie genügend
in die Kneipenverhältnisse Berlins eingeweiht. Sie gingen
vormittags zusammen nach der Stadt und trennten sich
dann. Magda machte wirklich vortreffliche Geschäfte. Wenn
sie es zuerst kaum über sich gewinnen konnte, irgend ein
öfsentliches Lokal zu betreten, so verlor sie diese Zaghaftig—
keit bald und machte sich mit ihrem Gewerbe vollstäudig
vertraut. Zuletzt sprach sie das „Eine Rose gefällig ?“ so
geläufig und blickte so dreist auf, als wäre fie in ihrem
Handel groß geworden. Während der ersten drei Wochen
hatte sie regelmäßig bis zum Abend soviel verkauft, daß
sie vor zehn nach Hause zurückkehren konnte. Einmal blieb
sie länger aus; sie hatte sich verspaͤtet. Die erste Lüge zeugte
die zweite. Das eine Kind sei sehr krank geworden, meinte
sie zur Mutter, da habe man ie nicht eher fortgelassen.
Ida beunruhigte sich darüber sehr; aber du lieber
Himmel, man mußte sich am Ende für Geld so mancherlei
gefallen lassen. Und als ein paar Tage darauf Magda aber⸗
mals später ankam, und eine halbe Stunde auf den Wächter
MaxKretzer, Die Verkommenen 11