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nuß Es⸗ war nicht die unerwartete Dazwischenfunft bes
gJunglings, der sanst auf ste gerichtete Bðnus den großen
Augen, auch nicht das plötzliche Vegyer lärmenden
und schreienden Kinderstimmen, wa in Verlegen-
heit setzte, so daß sie am liebsten sosort in den Flur ge—
sprungen wäre, um ihre Röte zu verbergen, sondern das
Wort „Fräulein.“ Noch niemals hattéè man sie so ange—
sprochen. Und der sie so auszeichnete, war der Sohn der
Produlkenhändlerin, von dem die Frauen erzählten, er
sei so gebildet und „studiere Künstlet“. Freilich, das war
bei dem nicht zu verwundern. Den sah man nie vor der
Haustür stehen, traf ihn niemals inm!!t:t der ungezogenen
Burschen, die, wenn sieè abends aus der Fabrik kamen,
sich wie die Heinen Kindér auf dem Haus lur gebärdeten,
sich jagten und schlugen, und doch schon ihren Zigarren-
stummel rauchten und wie die Alten mit einander sprachen.
AAber eiwas sagen mußte sie doch, wie ein Stock isch
vonnte sie nicht stehen bleiben. „Danke schön!“ kam es
zaghaft über ihre Lippen. Sie machte einen Knix, und
dabei richtete sie zum ersten Mal voll und ganz ihre braunen
Augen auf Frau Sirachs Sohn.
Weonhard sah nicht die großen, plumpen, durchgestoßenen
Lederstiefel des vor ihm stehenden Mädchens, nicht das
armselige, graue Kleid mit der verschossenen, fadenscheinigen
Taille; er sah nur in ein wunderbar schönes Gesicht, das
mit dem Rot in der Wange ihn so keusch und züchtig an⸗
mutete, als wäre er nie etwas Lieblicherem begegnet. Und
bieses Mädchen hatte er noch niemals im Hause gesehen!
Wie sollte er auch? Morgens, wenn er ausstand, übte er
bine Stunde, um nach der Musikschule zu gehen. Wenn
er dann zurückkehrte, war die Geigé wieder seine einzige
Freundin, mit der er sich unterhielt, und des Abends be⸗
suchte er Freunde oder besand sich in irgend einem Konzerrt,
koo die · Meister der klassischen Musik ihn in ihrem Vanne
hielten? J
un Oskar Schwarz erschien jetzt im Rahmen der Haustur
und rief nach Magda.