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Herrin nicht so sehr freundlich gegen sie wäre und ihr in
allem entgegenkäme, damit sie zu den anderen Mädchen im
hause den Mund nicht auftue, hätte sie schon längft geküun-
digt, um endlich mal zu irgend einer Baronin, wie es
immer ihr Wunsch gewesen sei, zu ziehen, damit sie auch
einmal sehe, wie es da hergehe.
zZSiehst du, mein Kind, an dieser Trine merkt man es
dm besten, was das Wort vom eigenen Herrn zu bedeuten
hat. Es ist ja wahr, du könntest auch in einen Dienst gehen,
die Figur hast du schon dazu, da hättest du wohl für dich
zu essen, aber nicht für deine Mutter und Geschwister.
Denke mal, was sie oben für Augen machen werden,
wenn du morgen schon mit einer ganzen Mark in der Hand
nach Hause kommst und deiner kranken Mutter ein ordent⸗
liches Stück Fleisch kochen kannst.“
Zum Schluß beteiligte sich auch noch Fräulein Hedwig
an dem Gespräch. „Mädchen mit den braunen Zöpfen,
folge meiner Tante,“ sagte sie in singendem Tone, „die
meint es gut mit dir.“ Dabei kehrte sie den weißen Nacken
dem Wandspiegel zu und betrachtete sich durch einen klei⸗
neren, um die Rückseite ihrer Frisur zu beschauen.
Die ehrenwerte Mutter Knabe hatte denn auch noch
ganz besondere Verhaltungsmaßregeln zu erteilen. Es
brauche ja auch vorerst niemand zu wissen, was Magda
treibe. Was ginge das auch schließlich die anderen Leute im
Hause an? Sie kenne die Menschen zu sehr, als daß sie
nicht wüßte, wie man gleich den Neid jedermanns erwecke,
wenn man auf einen besonders guten Gedanken ge—
kommen sei.
ZIch werde dir!s sehr bequem machen, mein Kinsd.
Ich erwarte dich jeden Morgen um zehn Uhr an der nächsten
Straßenecke, du weißt doch, bei dem Hause, in dessen
Flur die Mutter Schulzen mit Bücklingen und Flundern
sitzt. Da gebe ich dir den Korb, und du gehst dann ruhig
deiner Wege. Es bleibt also dabei, meine liebe Magdg,
nicht wahr ? Und du wirst deiner Mutter vorläufig nichts
sanen, was du kreibst. Sie könnte sich so ihre Gedanken
Maxkeretzer, Die Verkommenen. 10