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Siebentes Kapitel

Full text: Die Verkommenen (Public Domain)

143 — 
Aber Frauenzimmer, binde dir doch ein Tuch um 
die Schultern, wenn hier jemand hereinkommt, was soll 
der denken ? 
Fräulein Hedwig lachte und meinte, daß außer „ihrem 
Ede“ niemand zu erwarten sei; und vor dem werde sie sich 
doch nicht genieren! 
Dann hielt es Frau Knabe an der Zeit, mit Magda 
auf das eigentliche Thema zu kommen. „Es geht euch 
schlecht, sehr schlecht, mein Kind, ich weiß es, und duů 
brauchst mir das nicht zu verschweigen.“ Sie erfahre so 
manches, was andere Leute nicht erführen; sie stelle sich 
das schrecklich vor, eine kranke Mutter und vier hungrige 
Kinder, deren Vater im Gefängnis sitze, ohne jeden Ver— 
dienst, womöglich bei der nackten Broikruste. Eins nur 
könne sie nicht begreifen, daß so ein großes, starkes Mädchen, 
wie Magda, das ruhig mit ansehe, ohne aus eigenem 
Willen etwas dagegen zu tun. Sie müsse doch gewiß schon 
vierzehn Jahre sein. Ob sie denn nie daran gedacht habe, 
das Los ihrer Mutter zu erleichtern ?“ 
Magda schwieg noch, aber es fiel ihr wie Schuppen 
von den Augen. Wirklich, daran hatte sie noch nicht gedacht. 
Ihre Mutter lag hilflos auf dem Krankenlager, konnte 
nichts verdienen, und sie großes Mädchen stahl eigentlich 
dem lieben Gott den Tag ab. Sie schämte sich plötzlich, daß 
fremde Leute sie erst darauf aufmerksam machen mußten. 
Und Mutter Knabe fuhr fort, ihr ganzes Interesse für 
die Familie Merk an den Tag zu legen. „Ich wüßte etwas 
für dich, mein Kind, womit du dir täglich deine Mark 
verdienen fönntest — ich meine, wenn du mir behilflich 
wärest, Rosen und Streichhölzer zu verkaufen. Verstehst 
du? die Rosen, solange noch die Zeit dafür ist, und die 
Streichhölzer, wenn der Herbst und Winter kommt.“ 
Sie ließ Magda, die jetzt groß aufblickte, erst gar nicht 
zu Worte kommen , sondern erging sich sofort in Erklärungen, 
die nur darauf berechnet waren, das Mädchen ganz von 
diesem Gedanken gefangen zu nehmen. Man könne nicht 
leichter zu einem ehrlichen Verdienst kommen, als auf diese
	        
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