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hatte hinterlassen, daß, wenn er bis fünf Uhr nicht zu
dause sei, Ida seinen Sonntagsanzug zusammenpacken
solle, um ihn zum Rückkaufshändler zu tragen.
Frau Merk machte denn auch ihr Bündel zurecht. Sie
nahm die Bürste und begann vorerst die Sachen noch ein⸗
mal zu säubern. Dabei entrang sich ihrer Brust mit jedem
Strich, den sie tat, ein halblauter Seufzer, der all die ge—
knickten Hoffnungen enthielt, die jetzt wie ein Meer von
Trostlosigkeit auf ihr, ihres Mannes und ihrer Kinder
Schicksal einstürmten. Dann blickte sie sich prüfend in der
kleinen Wohnung um, die im niederen Parterre eines
Hinterhauses der Invalidenstraße lag, aus Stube und Küche
bestand und in dem Häuserviereck von oben her nur wenig
Lich empfing. Ida musterte die wenigen Habseligkeiten.
Das Meublement sah bereits äußerst abgenutzt aus, wie es
nach vierzehnjährigem Gebrauch nicht auders zu erwarten
war. Da war das Kleiderspind, dessen Tür nicht mehr
in den Angeln sitzen wollte, und ein verblaßtes, langge—
dientes Sofa, dessen geringer Wert nur noch im Gestell be⸗
stand. Kommode und Tisch hätte niemand umsonst nach
Hause getragen, und die Stühle waren wacklig und zeigten
durchlöchertes Rohr.
Das einzige gut erhaltene Stück war der Spiegel, dessen
Glas Ida nie blank genug putzen konnte. Frellich hatte
man noch die Betten, die teuren, dichten Betten, die den
Stolz jeder Hausfrau bilden. Sie hätlen als letzte Rettung
in der höchsten Not herhalten mssen. Wenn es aber
erst an die Betten ging — wahrhaftig, dann konnte man
bereits „Matthäi am letzten“ sagen. Aus Idas Brust drang
jetzt ein Seufzer, der laut und vernehmlich durch das Zim—
uer schallte. Du lieber Himmel, die Dinge, die sie um—
gaben, besaßen gerade Wert genug, um, wenn alle Stränge
rissen, den Hauswirt für einen Monat an Miete zu be—
friedigen.
Frau Merk empfahl Magda, auf den Kleinen aufzu—
passen, nahm ihr jüngstes Töchterchen, die fünfiährig
Ana. an die Hand und verließ die Wohnung. Sie stie