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Sechstes Kapitel

Full text: Die Verkommenen (Public Domain)

136 — 
gingen beide hinaus, nicht ohne daß Rosa Felix noch freund⸗ 
lich zugenickt hätte. 
Nach einer halben Stunde befand sich Joachimsthal 
mit seinem Neffen bei dem Ehepaar Laib. 
Madame Serene und ihr Bruder saßen sich im Wohn⸗ 
zimmer gegenüber. „Zweihundert Mark gebrauchst du 
wieder ?“ fragte die Dicke und würgte die Tücher um 
ihren Körper herum, so daß ihr Kopf wie aus einem 
Haufen Ballast hervorragte. „Und dafür willst du uns einen 
Haufen beschriebenes Papier geben, das keinen Wert für 
uns hat? Was sollen wir damit tun? Dafür gibt nur der 
Lumpenmatz ein paar Pfennige.“ 
Der große Journalist wiegte sich unruhig auf seinem 
Stuhl und streckte wie ein Prophet die Hand aus, als 
wollte er die im Entfesseln begriffenen Elemente vor ihrem 
völligen Ausbruch beschwören. 
Frau Serene aber fuhr fort: „Moritz sagt, daß er bald 
keinen Platz mehr hat für die Schriften deiner Frau. UÜber 
tausend Mark seid ihr uns schon schuldig, und an Wieder⸗ 
bekommen ist nicht zu denken. Weshalb holt ihr die Ro— 
mane nicht wieder, wenn sie wirklich so ausgezeichnet sind, 
wie du immer sagst, und deine Frau so viel Talent zum 
schreiben hat? Joachim, tu mir den Gefallen und rede 
nicht erst — es gibt nichts mehr. Woher sollen wir so viel 
Geld nehmen, wenn wir allein nichts haben? Es ist kalt 
hier im Zimmer, ich werde dem Mädchen sagen, daß sie 
noch einmal einheizen soll — Karoline! Karoline! hörst 
du !?“ kreischte sie laut. 
Das Gespräch ging in denselben Wendungen eine Weile 
weiter, bis Joachimsthal aufstand und mit den Händen 
auf dem Rücken auf und ab wandelte. Sein Gedächtnis 
schien sich dabei merkwürdig zu klären, denn was er vor 
sich hin murrte, war die alte Geschichte, die seine Schwester 
schon oft von ihm gehört hatte ..... „Serene, reg' 
dich nicht auf, es könnte dir schaden, du weißt, du hast 
schon einmal einen Schlaganfall gehabt. Wir wollen uns 
nicht erzürnen der lumpigen zweihundert Mark wegen.“
	        
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