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Sechstes Kapitel

Full text: Die Verkommenen (Public Domain)

135 — 
von Jakob annehmen, damit es nicht umkomme. Er würde 
gleich mit der Mutter sprechen, wenn sie zu Hause wäre. 
Das Mädchen käme in gute Hände, man würde auch auf 
— 
Zipfel ging nach der Wohnung und rief Rosa herein. 
Was das für eine Überraschung war! Sie sollte bei 
einem Herrn Doktor in den Dienst kommen? Und gar im 
sogenannten Geheimratsviertel? Vor fünf Minuten hatte 
sie sich noch nicht träumen lassen, daß sie so rasch ihr Glück 
machen würde. Sofort sagte sie sich, daß sie jetzt eine ganz 
andere Miene zeigen müsse, um so bescheiden und ein— 
nehmend wie möglich zu erscheinen. 
Als Joachim Joachimsthal seine fleischige Hand unter 
ihr Kinn legte und einige Fragen an sie richtete, schlug sie 
wie ein züchtiges Mädchen die Augen nieder und gab die 
Antworien mit leiser Stimme. Felix Rosenstiel stand hinter 
ihr und benutzte das Halbdunkel des Raumes dazu, seine 
Hände mit ihrem aufgelösten Haar in Berührung zu 
bringen. Dann hörte man wieder die Tür des Wohn— 
zim mers gehen, und Kaulmann trat herein. 
„Heda, Zipfel, ein Glas Bier!“ Er trat mit langen 
Schritten näher, um zu sehen, was man eigentlich von dem 
Mädchen wollte. Er fühlte sich gerade in der Stimmung, 
seine Armel aufzustreifen und irgend einem zudringlichen 
Burschen einen blauen Denkzeltel mit nach Hause zu 
geben. Die Hände in den Hosentaschen, pfiff er leise vor 
sich hin und machte sich ungeniert Platz zwischen Rosa und 
Rosenstiel, indem er diesen mit seinem Ellbogen un— 
sanft beiseite schob. Jakobs Tochter las ihm die Skan— 
dalsucht vom Gesicht ab. Wenn der wüßte, was sie drei 
soeben geplant hätten! Man mußte hübsch die Schlaite 
Pielen, und diesen Tolpatsch einstweilen beruhigen. 
Während sie Zepfel dieß Flasche abnahm, flüsterte sie 
ihm zu: „Sagen Sie dem Langen nichts davon, det ist halb 
verrückt nach mir.“ Dann drehte sie sich nach Kaulmann um. 
„Kommen Sie mit, ich habe Ihnen was zu sagen.“ Sie
	        
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