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Sechstes Kapitel

Full text: Die Verkommenen (Public Domain)

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sind zwei untrennbare Begriffe, die wir Vollsfreunde ent 
schieden aufrecht erhalten müssen. Sie sind doch ein Mann 
aus dem Volke, Sie denken doch ebenso?“ 
In Ermangelung eines Knopfes, den er vergeblich bei 
Herrn Zipfel suchte, erweiterte er ihm die blaue Schürze 
nach Möglichkeit. 
„Ja, mein lieber Herr Zipfel, das ist so. Wir Männer 
der unabhängigen Presse haben einen schweren Stand, 
aber immer den eigenen Schild frei halten, das Familien⸗ 
leben nach Kräften pflegen, der Welt keine Veranlassung 
zum unreinen Gewäsch geben, aber seinen Verpflichtungen 
getreulich nachkommen, — das ist's, was uns groß macht 
und die Verleumdung zertritt. Dann sind wir wie die 
beste Frau, von der man am wenigsten spricht... O, es 
freut mich, mein lieber Herr Zipfel, in Ihnen solch einen 
braven Mann kennengelernt zu haben! Es steckt ein guter 
Kern im Volke, den wir am besten zu schätzen wissen. 
Wenn Sie die geistige und moralische Verkommenheit 
unserer besseren Gesellschaft, gegen die wir mit der ganzen 
Macht unserer freien Presse ankämpfen, kennen würden, 
mein lieber Herr Zipsel, — wie recht glücklich würden Sie 
sich erst in ihrer bescheidenen Lebensstellung fühlen! Sitt— 
lichkeit und Freiheit — vergessen Sie die Varole nicht. 
mein lieber Herr Zipfel.“ 
Plötzlich verspürte er Hunger. „Der Schinken sieht sehr 
frisch aus, sehr frisch.“ 
„Ein Stückchen gefällig, geehrter Herr Doktor?“ Zipiel 
hatte schon das lange Messer genommen und begann eine 
Scheibe herunterzuschneiden, die er dem Journalisten auf 
einem Teller darreichte. 
Joachim Joachimsthal begann das Fleisch in den Mund 
zu stopfen, so daß die Backen sich ausblähten und die Augen 
kleiner wurden. Eine zweite Scheibe nahm er mit Dank 
an. Und während die Geschäftigkeit des Kauens jedes Wort 
halb unverständlich machte, brummelte er ungefähr fol⸗ 
gendes zu dem Budiker hinter dem Ladentisch: Hunger 
fue weh, man müsse sich also wenigstens dieses einen Kindeé
	        
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