Path:
Sechstes Kapitel

Full text: Die Verkommenen (Public Domain)

124 — 
ausschickte, er feierte heute seinen Geburtstag, und habe 
einige liebe Bekannte eingeladen. 
Zappel, der kleine Kolporteur, der, auf der Wanderung 
begriffen, seinen alten Abstecher zu Zipfel gemacht hatte, 
erkannte sogleich den Vizewirt des Rentelschen Hauses 
Also der war auf ausdrücklichen Wunsch des Hausbesitzers 
gekommen, um sich zu erkundigen, wie die Dinge eigent— 
lich lägen? Herr Zipfel erschöpfte sich in freundlichem Ent⸗ 
gegenkommen, und die Titulatur „Geehrter Herr Doktor“ 
floß förmlich von seinen Lippen. 
Dann überstürzte man sich, die Neugierde des Journa— 
listen zu befriedigen. Zipfel führte natürlich das große Wort. 
Da seien nun zwei Familien, die mit einem Schlage um 
ihre Ernährer gekommen seien. Um Merk tue es ihm 
sehr leid, namentlich um der Kinder willen, welche die 
besten und anständigsten im ganzen Hause seien. Jakob sei 
inmer ein liederlicher und zanksüchtiger Patron gewesen, 
der sich den Teufel um seine Familie bekümmert habe. 
Wenn die Kinder schon vor ihrem Vater keinen Respekt 
mehr hätten, dann sei es weit gekommen. Er wisse über— 
haupt nicht, was er nun mit der Familie anfangen solle. 
Die Miete hätten sie seit drei Monaten nicht mehr bezahlt, 
gestern hätten sie exmittiert werden sollen, weil die Woh— 
nung schon anderweitig vermietet sei, aber man habe ihnen 
aus Mitleid unten im Keller eine kleine Rammer angewiesen. 
Da lägen nun sieben Menschen auf Strohsäcken wie die 
Bücklinge neben einander gepackt. 
„Sieben Menschen — in einem ganz kleinen, dunklen 
Raume — auf nackten Strohsäcken neben einander gepackt,“ 
sprach der Berichterstatter seines Hauswirts Wort für Wort 
halb ächzend nach, indem er den ganzen Satz in sein großes, 
ledernes Notizbuch eintrug. 
„Schrecklich — grausig — kaum glaublich,“ grunzte er 
dann vor sich hin, „man muß das in die Presse bringen.“ 
Dabei sah er sich nach seinem Neffen Felix um, als müßte 
er von diesem die Bestätigung des eben Gesagten erwarten. 
Der junge Mensch befand sich in einer kleinlauten Stim⸗
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.