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Joachimsthal „beaß“ sich. Er entwickelte bei der Vertil⸗
gung von Speisen eine Ausdauer, die mit der Zeit nicht
ohne Einwirkung auf sein Gehirn bleiben konnte. Nach
einem derartigen Diner oder Souper, wo er zum Schrecken
der übrigen anwesenden Gäste seine Kinnbacken nicht ein
einziges Mal ohne Bewegung gelassen hatte, pflegte er in
dem Zustande eines halb blödwitzigen und halb betrunkenen
Menschen einherzutorkeln.
Wie ein dickwamsiger Bär, dessen Zunge zu sehr vom
Honig gekostet, taumelte er durch die Straßen und rempelte
wider Willen jeden zweiten und dritten Menschen an. Er
blieb dann stehen, warf einen Blick um sich, als starrte er
rechts und links in eine Wüste, nahm den selten abge—
bürsteten Calabreser, der auf seinem runden, fleischigen Ge⸗
sicht wie ein schwarzer Riesenpilz auf einem Kürbis thronte,
ab und fuhr mit der Hand durch das Haar oder über seinen
buschigen Schnurrbart, der ihm das Aussehen eines Ser—
geanten der Landwehr gab.
Dann trottete er wieder weiter, ungefähr wie ein
Mensch, der eigentlich nicht weiß, wohin er will, blieb an
der nächsten Ecke abermals stehen und las das Straßen⸗
schild. Im Umdrehen bemerkte er schließlich auf der anderen
Seite des Fahrdammes irgend einen Kollegen von der
Feder. Und nun endlich schien ein Strahl der Erleuchtung
über ihn zu kommen.
Er rief ganz laut den Namen des Betreffenden, winkte,
schrie abermals und fuhr dabei derartig mit seinen Armen
in der Luft herum, daß alle Leute stehen blieben.
Wenn dann der Herbeigerufene, tiefes Mitleid für den
kranken Mann empfindend, an seiner Seite war und ihn mit
den wohlgemeinten Worten: „Aber was machen Sie für
einen Radau auf der Straße?!“ begrüßte, so ließ der Vize⸗
wirt aus der Bülowstraße sein Opfer vor der ersten Viertel⸗
stunde nicht mehr los. Er begann zuerst damit, dem vor
ihm Stehenden die Knöpfe vom Rock abzudrehen, dann
kam die feststehende Frage, die den ganzen augenblicklichen
Zustand des HerrnJoachim Joachimsthal zur Genüge kenn⸗