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Sechstes Kapitel

Full text: Die Verkommenen (Public Domain)

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Joachimsthal „beaß“ sich. Er entwickelte bei der Vertil⸗ 
gung von Speisen eine Ausdauer, die mit der Zeit nicht 
ohne Einwirkung auf sein Gehirn bleiben konnte. Nach 
einem derartigen Diner oder Souper, wo er zum Schrecken 
der übrigen anwesenden Gäste seine Kinnbacken nicht ein 
einziges Mal ohne Bewegung gelassen hatte, pflegte er in 
dem Zustande eines halb blödwitzigen und halb betrunkenen 
Menschen einherzutorkeln. 
Wie ein dickwamsiger Bär, dessen Zunge zu sehr vom 
Honig gekostet, taumelte er durch die Straßen und rempelte 
wider Willen jeden zweiten und dritten Menschen an. Er 
blieb dann stehen, warf einen Blick um sich, als starrte er 
rechts und links in eine Wüste, nahm den selten abge— 
bürsteten Calabreser, der auf seinem runden, fleischigen Ge⸗ 
sicht wie ein schwarzer Riesenpilz auf einem Kürbis thronte, 
ab und fuhr mit der Hand durch das Haar oder über seinen 
buschigen Schnurrbart, der ihm das Aussehen eines Ser— 
geanten der Landwehr gab. 
Dann trottete er wieder weiter, ungefähr wie ein 
Mensch, der eigentlich nicht weiß, wohin er will, blieb an 
der nächsten Ecke abermals stehen und las das Straßen⸗ 
schild. Im Umdrehen bemerkte er schließlich auf der anderen 
Seite des Fahrdammes irgend einen Kollegen von der 
Feder. Und nun endlich schien ein Strahl der Erleuchtung 
über ihn zu kommen. 
Er rief ganz laut den Namen des Betreffenden, winkte, 
schrie abermals und fuhr dabei derartig mit seinen Armen 
in der Luft herum, daß alle Leute stehen blieben. 
Wenn dann der Herbeigerufene, tiefes Mitleid für den 
kranken Mann empfindend, an seiner Seite war und ihn mit 
den wohlgemeinten Worten: „Aber was machen Sie für 
einen Radau auf der Straße?!“ begrüßte, so ließ der Vize⸗ 
wirt aus der Bülowstraße sein Opfer vor der ersten Viertel⸗ 
stunde nicht mehr los. Er begann zuerst damit, dem vor 
ihm Stehenden die Knöpfe vom Rock abzudrehen, dann 
kam die feststehende Frage, die den ganzen augenblicklichen 
Zustand des HerrnJoachim Joachimsthal zur Genüge kenn⸗
	        
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