Path:
Sechstes Kapitel

Full text: Die Verkommenen (Public Domain)

110 — 
bevorzugten Herberge der Equipagen ausmachen, im Strome 
der Potsdamerstraße. Dann tritt auch der stillste Villen⸗ 
hof mit dieser Ader in Verbindung, dann sieht man, um⸗ 
geben vom endlosen Geräusch der Pferdebahnwagen, Om— 
nibusse und Gerassel der Droschken und Kutschen, Typen 
prägnanter Art, die unzertrennlich von diesem Viertel sind. 
Vom frei und groß denkenden Künstler, der leichten 
Sinnes, mit genial geschlungenem Halsknoten, verbeultem 
Calabreser und flatternder Mähne beim schnellsten Vorbei— 
fahren mit kühnem Sprunge den Perron der Pferdeeisen⸗ 
bahn nimmt, bis zum steif zugeknöpften, alternden Bureau⸗ 
kraten, der mit gemessener Würde und ewig hochwichtiger 
Miene vorsichtig von der Haltestelle aus denselben Wagen 
besteigt; vom pedantischen Schulmann und dem von Rechts⸗ 
bewußtsein durchdrungenen Gerichtsrat, die beide, wenn 
sie sich im Wagen gegenübersitzen, außer der Begrüßung 
und Verabschiedung nie ein Wort wechseln, aber die Schnupf⸗ 
tabaksdose nicht aus der Hand lassen, bis zum lebenslustigen, 
jungen Offizier und zum übermütigen Bruder Studio, der 
mit der schwarzen Ledermappe dem Kolleg zueilt; vom 
glattrasierten, schwarzgekleideten Bebire“ vr und dem 
dickbäuchigen, rotbärtigen und durch Sorezrossen aus⸗ 
gezeichneten Börsenjobber, dessen großegflea, der sechs 
Ringe wegen unbehandschuhte Rechte er nes Stöck— 
chen mit riesigem Silberknauf umspann: nd dessen 
Hosen, Jakett und Paletot das Muster eines Schachbretts 
aufzuweisen haben, bis zum jungen Geschäftsführer großer 
Warenhäuser und dem protzenhaft auftretenden Journa— 
listen irgend einer Börsenzeitung, dessen fleischiges und 
ausdrucksloses Gesicht förmlich zum Ohrfeigen einladet, — 
sie alle haben beim Dahinsausen auf den Geleisen das Ge⸗ 
fühl, als brächten sie durch ihre Anwesenheit in der inneren 
Stadt gleichsam ein Stück höhere Kultur mit hinein, für 
deren Beglückung man sich bei ihnen bedanken müsse. 
Und dieser Typus tritt auch beim weiblichen Ge⸗ 
schlecht hervor. Da ist die Ehehälfte des Börsenjobbers, 
die des Mittags in ihrer Equipage der Stadt zurasselt und
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.