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Geschaͤftsmiene und emsige Bewegung, durch Lässigkeit
und gemessenen Schritt, durch Noblesse und vornehme
Faulheit dem Bezirke den Stempel seines eigentlichen
Wertes aufzudrücken.
Man atmet förmlich andere Luft, wenn man von einer
Grenze zur andern steigt, sieht andere Farben, andere Ge—
sichter und glaubt am Ende eine andere Sprache zu ver—
nehmen. Selbst die Häuser scheinen das zu wissen, sie
tragen andere Häupter und machen den Eindruck, als hätten
sie die Berechtigung durch den äußeren Anstrich schon,
durch die olympische Ruhe, mit der sie dreinschauen, oder
durch das wechselvollste, bunteste Leben in ihnen, ein ge—
wichtiges Wort in das Branden des Tages hineinzureden.
Der hohe Norden Berlins sieht schwarz aus wie der
Qualm, der tagtäglich den Essen und Schloten entsteigt
und sich auf Straßen und Menschen legt; der Osten mit
seinen Gassen und unmodernen Häusern scheint grau in
grau sich abzustufen; der Süden mit seinen freien Plätzen
und breiten Straßen hat bereits lichtere Farben; das Zen—⸗
trum mit seinen unzähligen Kaufmannshäusern, mit grellen
Firmen vom Parterre bis zum vierten Stock gleicht steiner—
nen Tuschkästen, die verschwenderisch mit ihren Farben
prunken; nur der Westen Berlins trägt sanfte, idyllische
Töne, die harmonisch ineinandergreifen. Hier zeigt sich
im Sommer das saftigste Grün, hier reihen sich Gärten an
Gärten, in denen Jasmin und Rosen blühen, hier, inmitten
einer beneidenswerten Abgeschlossenheit vom ameisen-
artigen Treiben der Hunderttausende jenseits der Pots—
damerbrücke, atmet die Brust freier und schneller, ver⸗
mengt sich in den abseits vom Verkehr liegenden, ruhigen
Straßen mit der Luft etwas von jenem Parfüm der Sa—⸗
lons der oberen Zehntausend, — jener Minderheit der
Sterblichen, die sich keinen Genuß zu versagen braucht
und die in dem Wahne lebt, sie allein sei die Stütze der Ge⸗
sellschaft, wie ihr Gold die Stütze dieses Wahnes ist.
Zu bestimmten Stunden des Tages vereinen sich all
die verschiedenartigsten Elemente, die den Apparat dieser