102
—
treiben brauchen. Wir bekommen Kinder und arbeiten nun
doppelt, quälen uns nach Feierabend, damit alles nach dem
rechten gehe. Morgens um fünf Uhr stehen wir auf und
arbeiten wie eine Maschine zwölf Stunden hintereinander,
daß uns der Atem ausgeht. Die Stunde Mittagszeit und
die paar anderen Pausen sind kaum zu rechnen. Es ist ge⸗
rade soviel Zeit, um der Maschine neues Ol zu geben,
damit sie rüstig weiter schnurrt. Eines Tages hat man
keinen Platz mehr für die Maschine, wirft sie einfach vor
die Tür und sagt: „Nun treibe da draußen ruhig weiter,
so lange, bis dir der Atem ausgeht. Bahne dir einen Weg
durch die Menge und suche dir einen andern Platz. Da
gebraucht man seine Ellbogen mit aller Kraft, stößt,
drängt, schlägt hinten und vorn aus, bis einem die Lunge
pfeift und man todmüde nach Hause kommt, um Weib
und Kinder nach Brot schreien zu hören.“
Er machte eine Pause, keiner wagte ihn zu unterbrechen.
In einer halb weinerlichen Stimmung, die Schnaps—
genuß und innere Unzufriedenheit nun hervorgerufen, be—
gann er abermals: „O hört nur weiter, glaubt mir's, so
wahr ich Merk heiße, ich habe mir die Beine abgelaufen
nach Arbeit, aber bekommt nur welche nach dem Krach!
Ich habe nachts nicht ruhen können, um morgens nicht
die Zeit zu verschlafen, damit ich der erste bei den Zeitungen
war. Ohne Kaffee bin ich weggegangen, fröstelnd bei eisiger
Kälte, nur um am Platze zu sein. Alles, alles vergebens.
Ein Stück nach dem anderen mußte versetzt werden. Und
während ich nicht zu Hause war, mein Weib in der Fabrik,
mußte mein Kind verbrennen, verbrennen sage ich!“
Wieder schlug er auf den Tisch. „Freilich, die feinen,
saubern Leute, die nicht zu sorgen und sich zu plagen brau⸗
chen, können auf ihre Kinder aufpassen, die kennen so was
nicht. Es ist eine schreiende Ungerechtigkeit, die Gott um
Erbarmen anrufen müßte, vorausgesetzt, daß es noch einen
gibt. Da soll man noch Religion behalten, wenn man uns
nicht mal so viel Zeit läßt, um in Ruhe zu beten!“
Der dicke Maurer legte sich weit über den Tisch und