Path:
Fünftes Kapitel

Full text: Die Verkommenen (Public Domain)

92 
Stickluft dieser Kneipe paßte, wo der Tabaksqualm wie eine 
dichte Wolke an der Decke lagerte und durch seinen Nebel 
dem Licht der einzigen Gasflamme in der Mitte gerade 
noch Leuchtkraft genug gab, um die schmutzigen Blusen, die 
eingedrückten Hüte, aufs Ohr gesetzten Mützen und auf den 
Tisch gestützten Arme voneinander unterscheiden zu können. 
Kaulmann, genannt das Großmaul, machte sich mit 
seiner Bärenstimme in dem Gemisch von rohen Späßen, 
lautem Lachen und halb ersticktem Lallen am meisten be— 
merkbar. In seiner bekannten Weise kam er immer wieder 
auf die riesige Ausdehnung der neuen Fabrik zu sprechen, 
in der er seit acht Tagen beschäftigt war. Seine Aufschnei— 
dereien hatten alle drei Minuten das Ziehen an der her⸗ 
unterhängenden Klingelstrippe des Messers zur Folge. 
Borsig sei als Fabrikant der reine Waisenknabe gegen Fried⸗ 
rich August Lehmann in der Müllerstraße, meinte das 
Großmaul, wonach allerdings im ganzen Kreise ein der⸗ 
artiger Widerspruch in Gestalt von Schmeichelnamen höchst 
zweifelhafter Natur erschallte, daß der lange Aufschneider 
schließlich halb und halb die Segel streichen mußte. 
Thomas Fritze, ein Schlosser aus der Antonstraße, er⸗ 
klärte ihn für 25 größten Teekessel des Jahrhunderts, 
wofür Kaulmann die Bemerkung zurückgab, daß Leute, 
die in der Nähe des „grünen Antons“ wohnten, ihn über—⸗ 
haupt nicht beleidigen könnten. Gerichtsstraße und Anton⸗ 
straße benutzten denn auch weidlich die Gelegenheit, in 
derbem Humor sich gegenseitig den Rang abzulaufen, wo— 
bei zu Herrn Christoph Zipfels Freude die Gläser immer 
aufs neue gefüllt wurden. 
In einem Wintel bei der Tür pflegte um diese Zeit 
Herr Theodor Düstergang seinen Platz einzunehmen, In⸗ 
haber des Entresol⸗Zimmers in Vorderhause, dessen ganze 
Bedeutung und soziale Stellung der Nachbarschaft durch 
das weiße Pappschild über der Hausnummer mit der Auf⸗ 
schrift: „Klagen, Bittgesuche, Gelegenheitsgedichte, usw. 
werden schnellstens und billigst hier ausgeführt,“ zur Ge— 
rüdge betkannt war.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.