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Der Arbeiter hatte es diesmal für schicklicher gefunden,
die Hintertreppe des Hauses emporzuklimmen. Dreimal hatte
er bereits denselben Weg vergeblich gemacht, denn jedesmal
wurde ihm durch die Köchin mitgeteilt, daß der „lumpigte
Kerl“, dem man ein Stück Seife schenken möchte, damit er
sich ordentlich reinige, noch vorn sei und den Teppich ganz
gehörig beschmutze.
Eine Stunde lang war der Arbeiter vor dem Hause in
bitterer Kälte auf und ab gegangen, um sich die Füße zu ver⸗
treten. Ohren und Nase waren halb erfroren, und als er jetzt
in die warmen Räume getreten war, empfand er entsetzliches
Brennen, welches Gesicht, Hände und Füße wie mit tausend
Nadeln traf.
Frieda war milder gestimmt als vorhin. Es ging ihr gerade
so wie einst Fanny: sie lechzte nach einem ehrlichen Menschen,
der ohne Heuchelei ihr gegenüberträte.
Braun wagte die Einladung zum Sitzen gar nicht an⸗
zunehmen. Als er sich doch dazu genötigt sah, zog er mit
rührender Naivetät sein rotbaumwollenes Taschentuch, auf
dem die Schlacht von Gravelotte glänzte, hervor, breitete es
sorgsam über den Damastsitz aus und ließ sich dann erst darauf
nieder.
Frieda mußte lächeln, aber sie ließ ihn gewähren.
Nach einer Viertelstunde ließ sie sich herab, dem Arbeiter
die Hand zu drücken, und verabschiedete ihn mit dem Ver⸗
sprechen, seiner zu gedenken.
Also Olga war die Geliebte Neukirchs geworden! Ihr ehe⸗
maliges Stubenmädchen hatte er vorgezogen. Sie hätte lachen
mögen, wenn ihr nicht so verteufelt ernst zu Mute gewesen
wäre. Schließlich fand sie eine alte Ahnung nur bestätigt.
Ihr fiel jener Sonntag wieder ein, wo sie Bruno in seiner
Wohnung besucht hatte, seine Verwirrung bemerkte und eine
Haarnadel fand, welche den ihrigen ähnlich sah. Keine Frage, —
er hatte damals bereits mit Olga eine Liebschaft. Hunderterlei
Dinge fielen ihr ein, die ihr jetzt als völlige Beweise erschienen.
„Auch so eine undankbare Kreatur“, sprach sie im bitteren
Tone vor sich hin.