ein Ihnen sympathischer Priester in der Nähe
und stets zu Ihrer Verfügung ist. Sie tragen
zuviel mit sich herum, wovon Sie sich befreien
könnten, wenn Sie beichten gingen.“
Hilde sah ihn groß an. Sie schüttelte den
Kopf. „Auch Sie kennen mich nicht!“ und sie
rang schwer.
„Sprechen Sie sich aus, Hilde. Wenn nicht
mit Ihrem Priester, dann mit mir.“
„Wenn ich es könnte. Wenn ich mit diesem
Glauben etwas anzufangen wüßte. Aber“ —
schrie sie heraus — „ich kann es nicht! Ja,
fühlen Sie’s denn nicht?! Es ist wie ein stei-
gender Fluß in mir, der schwillt und schwillt,
und nun, da er sich ergießen möchte, nicht
weiß, wohin. Denn schneller als er steigt,
türmt sich rings um ihn eine Mauer und dämmt
ihn ein. Und schließt sich über ihm, Und so
eingeengt und verdichtet wächst seine Kraft.
Und er rast um so gewaltiger. Aber so sehr
er sich auch bemüht, durchzubrechen, seine
Mühe ist vergeblich und es gelingt ihm nicht.
Denn“ — schrie sie — „die Mauer ist der Glaube,
und der Strom, der in mir rast und tobt, ist die
Liebe, Und ich ersticke!“
Wenn er sie zu beruhigen suchte, sagte sie:
„Ich wollte nur eins: ihm zuliebe leben. Das
habe ich nun erreicht, ohne daß ich es wußte,
ohne daß ich etwas dazu tat. Was soll ich
noch? Was anderes bleibt mir noch übrig als
zu sterben, ohne ihn gekränkt zu haben?“
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