Wollen Sie nicht Ihr Korsett ablegen; es wird
heiß unten, und es wird Sie beschweren.“
„Danke, ich vertrage Wärme ausgezeichnet.“
Jetzt erst sah Hilde, daß die Comtesse unter
ihrem schwarzen Mantel ein loses, weites Ge-
wand aus japanischer Seide trug, in das in
bunter Folge die obszönsten Bilder gewebt
waren.
Draußen auf dem Flur ertönte langgezogen
ein Blasinstrument, das gequält, dann freudig,
wie das jüdische Schofar klang. Die Comtesse
fuhr zusammen.
„Schnell, schnell!“ rief sie und ihre Stimme
zitterte vor Erregung, „es beginnt!“
Sie nahm Hilde bei der Hand und führte sie
aus dem Zimmer auf den Flur, auf dem sich
jetzt hastig viele Menschen drängten. Alle
eilten nach derselben Richtung. Man stieg eine
breite Wendeltreppe hinab, chne durch den
dichten Nebel des Weihrauchs, den die Knaben
unaufhörlich streuten, wobei sie unverständ-
liche Gesänge führten, die Stufen zu erkennen.
Man tastete und schob sich gegenseitig vor-
wärts. Alle diese Menschen waren bereits mehr
oder weniger betäubt. Je tiefer man herabstieg,
um so lauter und heller ertönte das Instrument.
Durch eine tiefe schmale Tür, an deren Ein-
gang in Meßgewändern zwei Männer standen,
die scharlachfarbene Mützen mit Ochsen-
hörnern auf dem Kopfe trugen, trat man in eine
unterirdische geräumige Kapelle. Diese Männer
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