„Er hat sich eben beizeiten herangemacht,
ehe sie unter Menschen kam und andere Männer
kennen lernte“, erklärte ein kleiner, untersetzter
Assessor und Syndikus einer Berliner Groß-
bank, Er sprach süddeutschen Dialekt, obschon
er als Junge mit seiner Familie nach Berlin ge-
kommen war, was nun schon über zwanzig
Jahre zurücklag. Zweifellos war er der sorg-
samst Gekleidete von allen, ein Muster guter
Manieren, dabei bestimmt, ruhig und beschei-
den. In ihm, das sah man ganz deutlich, war
etwas von dem Geist des alten Herrn, Takt
und vornehme Gesinnung, die man beim Nach-
wuchs keineswegs mehr überall antraf.
„Das ist der ganze Witz“, sagte ein Dritter.
„Sie irren, meine Herren,“ — selbstgefällig
klang’s und belustigt, — „meine Braut hat vor
unserer offiziellen Verlobung drei Monate lang
Gesellschaften besucht und ist während dieser
Zeit mehr herumgekommen als andere junge
Mädchen im ganzen Winter.“
„Vorher aber hatten Sie sie sicher. Das
wußte jeder Mensch. Sie gingen daher auch
überall mit ihr zu Tisch, und man hat mir er-
zählt, daß Sie wie ein Falke über die Trägerin
Ihrer Millionen gewacht haben.“
Jetzt verlor Freudenheim seine Sicherheit.
Er reckte sich und schien sofort propor-
tionierter, obschon das breite und volle Gesicht,
in dem die dunklen, kleinen Augen wie schmale
Risse lagen, nun noch widerwärtiger wirkte.
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