„Wenn ich es überlege — müßte nicht eigent-
lich alles, was die Liebe angeht, Angelegenheit
der Seele sein?“
„Gewiß! Müßte! Ist es aber leider nicht!
Und soll es bei Ihnen in Deutschland noch weit
weniger sein als bei uns. Wenigstens be-
zeichnet eben dieser Przybyszewski die Liebe
heute als eine ökonomische und sanitäre Frage
und meint, daß sie für die bürgerliche Kunst
nichts anderes als den mehr oder weniger se-
ligen Weg in das finanziell und gesundheitlich
geregelte Ehebett bedeutet.“
„Das trifft bei den meisten Ehen wohl zu.
Aber schließlich kann man es den Menschen
auch nicht verdenken, wenn sie es sich so be-
quem als möglich auf Erden einrichten, — zu-
mal, wenn sie Tag für Tag an sich und ihrer
Umgebung beobachten, daß ihre guten Hand-
lungen doch keine Anerkennung finden.“
„Und daß die bösen ihnen keine Nachteile
bringen“, fügte er hinzu.
„Wie kann man aber dann noch in jedem
Übel, das einem widerfährt, eine von Gott ge-
sandte Strafe erblicken ?“
„Das hat man nicht nötig. Die weise Kirche
hat alle Eventualitäten vorgesehen. Um hier-
über hinwegzutäuschen, entstand das Buch
Hiob; — aus diesem Grunde ausschließlich, —
welches weiszumachen sucht, daß jedes Un-
heil nichts anderes als ein Läuterungsmittel
sei.‘%
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