Ich fragte sie, ob sie glaube, daß Gefühle erst
durch das Lesen erweckt würden. Daraus könne
man doch höchstens lernen, sie richtig zu be-
handeln. Darauf wußte sie, wie auf so vieles,
keine Antwort.
Neugierig bin ich schon und kann mir wohl
denken, daß all diese verborgenen Dinge, über
die auch nur zu sprechen nach ihrer Ansicht
Sünde ist, sehr schön sein können. Eigentlich
ist es recht dumm und sonderbar, warum man
nicht über Dinge sprechen darf, die jeder kennt,
die jeder tut und die dazu noch schön sind?
Darin scheint Mama ganz verständig, daß sie
über alles mit mir spricht. Nur die Art ist so
häßlich — aber dafür kann sie nichts.
Seit acht Tagen habe ich einen neuen Papa.
Pfui, wie sich das anhört! Aber er irrt sich,
wenn er glaubt, daß ich jemals in ihm einen Er-
satz für Papa sehen werde. Als ich sechs Jahr
alt war, hatten wir einen Hausdiener, der genau
wie dieser neue Papa aussah, nur intelligenter
war er. Mama kleidet ihn ein und gibt ihm
Anstandsstunden. Ich kugele mich und finde
das himmlisch.
„Ich habe mir immer ein Hündchen ge-
wünscht,“ sagte ich heute bei Tisch; „Mama
wollte aber kein Viehzeug in der Wohnung
haben, und nun hat sie sich selbst eins ange-
schafft.“
Der neue Diener, der mit dem Papa zu-
nm