stand, daß man zu einer höheren Seligkeit ein-
gehen werde, wenn man auch anderer Leute
Kinder beten lehrte.
Diesem Gedanken gab sie Ausdruck; etwas
verändert freilich; milder und voll Schonung,
da sie den heiligen Eifer Hildes sah. Aber Hilde
fühlte doch deutlich, daß diese Miß nicht viel
anders war als die meisten, die — gleich, ob
sie Juden oder Christen waren, — Frömmig-
keit heuchelten oder — die letzte Neuheit! —
mit ihrem Unglauben prahlten und jeden gläu-
bigen Menschen für einen Dummkopf hielten.
Am meisten schmerzte sie, daß der Glaube
dieser Miß am Ende nichts anderes als Egois-
mus war, und daß sie dabei, — ohne ein in-
neres Zerwürfnis, — doch aller Gnaden der
Kirche teilhaftig wurde. Also war es möglich
— folgerte sie — das Gebot der Kirche, das
den tiefsten Inhalt hatte, zu mißachten und
ohne seinen Nächsten wie sich selbst zu lieben,
doch ein guter Christ zu sein.
Dies war der erste Zweifel — ob ihn der
Priester beseitigen werde? — Und wenn nicht?
Aber er wird. Damit beruhigte sie sich für
den Augenblick und gab der Miß die Hand.
„Dann müssen wir uns heut schon trennen,
Miß; es fällt mir schwer.“
Und Miß, die längst eine neue Stellung in
Aussicht hatte, heuchelte Rührung.
„Und Sie, Emma?“ wandte sich Hilde an die
Zofe.
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