Etwa wie ein Dichter sein Drama schreibt, der
von einer großen Idee ausgeht und sie nun
an Geschehnis und Person knüpft, um ihr Leben
und Gestalt zu geben.
„Aus dem Spirago habe ich mir alle Kennt-
nisse angeeignet,“ fuhr Hilde fort, „die zur
äußeren Betätigung meines Glaubens nötig sind.
— — Es ist viel,“ sagte sie nach einer Weile
und sah ihn treuherzig an, „es bleibt wenig
für einen selbst zu denken.“
„Aber durch die strenge Beobachtung wird
das’ Herz schneller und immer mehr von
den weltlichen Dingen ab und dem einen
großen Gedanken ‚Gott‘ zugeführt. Der ver-
steht Gott am besten, in dem kein anderer Ge-
danke lebt als Er. Wohin allein wird sich der
Mensch aus dem Lärm der Welt in jedem
Augenblicke sicherer retten als zu uns, die wir
durch keine weltlichen Freuden auch nur für
Augenblicke von unserm Gotte abgelenkt
werden.“
„Wenn Sie aber das Leben mit all seinem
Jammer nicht kennen, werden Sie dann auch
immer die Handlungen der Menschen richtig
beurteilen und nicht hier zu nachsichtig und
da zu streng sein?“
„Die aufrichtige Reue, ohne die keine Sünde
vergeben wird, ist das Entscheidende. Ein zer-
knirschtes und gedemütigtes Herz wird Gott
nicht verschmähen, sagt die Schrift. Und wenn
es bußfertig ist, wird es seine Sünde weder ver-
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