stande nachprüfen. Und wer weiß, ob das dann
nicht der einzige Weg wäre, um den festen
Bau ihres Glaubens zu erschüttern.‘“
Entsetzt fuhr der Priester in die Höhe.
„Hilde!“ rief er ganz außer sich, „ist das
die Frucht der vielen schönen Stunden, die
wir hier lebten und uns zu Gott mühten?“
Und Hilde sah seine Zerknirschung.
„Der Weg zu Gott führt durch das Herz, hat
mich der Bischof gelehrt, nicht durch den Ver-
stand. Wenn ich Gott liebe, dann wird mir
mein Gewissen auch sagen, was gottgefällig
und was Sünde ist. — Wo mir aber mein gläu-
biges Herz keine Antwort gibt, da werden mir
auch Ihre philosophischen Abhandlungen über
die Kriterien der Todsünde vom heiligen Al-
phonso und vom heiligen Thomas nichts
helfen.“
„Aber sie werden Sie lehren, den Geist der
Sünde zu bekämpfen.“
„Sie haben mich vorhin durch den Anblick
dieser Jungen wärmer von der Macht und
Gnade Ihrer Kirche überzeugt, als wenn Sie mir
die Lehren sämtlicher Heiligen über das Ge-
wissen beigebracht hätten. Und wenn Gott un-
trennbar ist von meinem Gewissen, oder besser,
wenn ich mein Gewissen nicht mehr trennen
kann von Gott, dann werde ich für die Be-
antwortung dieser Frage auch keines Dritten
Hilfe mehr bedürfen.“
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