Vorsicht und Liebe, und ihn im jungen. Alter
schon zur vollen Blüte bringen, das ist meines
Amtes in Gott.“
Mit diesen Worten geleitete er Hilde in sein
Arbeitszimmer. Es war der siebente Tag, an
dem sie hier — meist bis zum späten Abend —
beisammen saßen und er ihr über den Glauben
sprach.
„Sie selbst haben diese Kämpfe gleich oder
ähnlich durchtobt, mein teurer Freund, wie
unsere Hilde“, hatte ihm der Bischof ge-
schrieben, dem er an jedem Abend über den
Fortgang der Belehrungen berichten mußte.
„Sie werden daher besser als irgendein anderer
die suchende Seele zum wahren Glauben führen.
Und ich habe ihr tief genug ins Herz geblickt,
um zu wissen, daß wir der Kirche mit ihr eine
tapfere Seele zuführen.‘
Der Priester Johannes Hauser war streng pro-
testantisch erzogen worden. Doch hatte seine
Erziehung nicht die starke innere Skepsis zu
ersticken vermocht, die als natürliche Anlage in
ihm lebte. Im Gegenteil: der starre Dogmen-
glaube, in den man ihn einzuspannen suchte,
ließ ihn den Zweifel als Qual empfinden, als
Krankheit, der man zu entrinnen trachten
mußte. Er vermochte nicht zu glauben, wo das
Wissen versagte. Nur eine Anschauung, die
jeden (religiös-ethischen) Zweifel restlos auf-
löste, konnte ihn befriedigen, konnte die Skepsis
zum Schweigen bringen.
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