wieder ihren Rücken und erstarben in Demut.
Und soviel sie auch gaben (immer mehr und
mehr), es blieb bei den Resten, die man ihnen
auf den Boden streute, und für die sie voll
Dank auf die Knie sanken, das Vaterunser
sprachen und immer weiter und weiter gaben.
So sahen die Juden aus, die Hilde kannte.
Und ihr war klar: ein Volk, das sich so er-
niedrigte, konnte nichts wert sein. Was ihr
der Vater gelegentlich aus der guten Zeit der
alten Juden und aus ihrem Familienleben be-
richtet hatte (als hätte er. es selbst noch mit-
erlebt, so voller Wärme und dankbarer Er-
innerung klangen seine Worte), war gewiß wie
alles andere, was er ihr vom Leben erzählte,
nur Gestaltungslust und Phantasie gewesen;
ein Glauben aber, der nicht die Kraft besaß,
seine Gläubigen gegen Verlockungen zu schüt-
zen, die in nichts anderem als in der Befriedi-
gung einer Eitelkeit bestanden, ohne einen auch
nur in den Augen derer, denen man winselnd
nachlief, gleichzumachen, ‚konnte auch nicht
stark genug sein, um einen schwachen Men-
schen, wie sie’ es war, zu stützen. An eine
innere Befreiung wagte sie schon gar nicht
mehr zu denken:
Wie anders mußte doch der Glaube sein, der
selbst die freiesten und stärksten Geister mit
sich -fortgerissen‘ und eine Kunst‘ geschaffen
hatte, die allein schon zur Weihe stimmte und
zur Andacht zwang, die alle Herzen, die sich
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