‚„Steh’ auf, mein Goldkind,‘“ sagte sie, als
Hilde die großen Augen aufschlug, „er ist da!“
Hilde hing noch in ihren Träumen, und die
feuchten Augen zeigten deutlich, daß sie glück-
lich waren. Auf einem’ weiten Feld war sie ge-
wesen, auf dem schwer und tief die dunklen
Wolken: hingen, und das. ganze Feld war dicht
besät mit Menschen, die verächtlich mit den
Fingern auf .sie wiesen und sie verhöhnten. Da
war er gekommen, alle überragend und stolz.
Grabesstill wurde es auf dem Felde und die
Menschen drängten gegeneinander und schufen
ihm einen Weg, auf dem er, den Kopf zurück-
gebeugt, die Arme weit nach. vorn gestreckt, auf
sie zuschritt, Er faßte sie mit beiden Händen
und hob sie mit großer Kraft in die Höhe. „Was
wollt ihr?! Sie ist rein!!“ hatte er gerufen, daß
es weithin rollte, gewaltig wie der Donner. Und
in seinen. Armen wuchs sie in die Höhe, weit
in die Wolken hinein. Die teilten sich, und das
tiefe Blau des Himmels wurde sichtbar. Da
entglitt sie seinen Händen und ein sanft we-
hender Hauch trug sie zum Himmel. Und unter
ihr knieten auf weitem Felde die Menschen und
beteten :zu ihr. .
Da weckte sie die Mutter.
„Er ist, da!“ sagte sie noch einmal.
„Ich weiß, Mutter, ich weiß!“ flüsterte Hilde,
die noch immer in ihrem Traum lebte.
„Du weißt?“ fragte Frau Traute erstaunt und
fuhr ihr mit der Hand über die Stirn.
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