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dem etwas theatralischen Pathos, in das sie sich hinein⸗
geredet hatte, und setzte einfacher, aber auch mit stark
verminderter Wirkung hinzu: „Ja, so liegt doch die
Sache! Von alten Freunden will man sich doch nicht
ärgern lassen. Also lassen Sie die dummen Witze!“
„Wir wollen uns wieder setzen,“ sagte Kaemp und
führte Helenen auf den Sessel zurück, von dem sie sich
zuvor erhoben hatte. „Und nun lassen Sie mich auch
mal ein Wort reden. Sie hätten mich an Ihre Güte
wahrhaftig nicht zu erinnern brauchen ... Daß ich
mir daraus jemals eine Waffe gegen Sie schmieden
könnte, glauben Sie ja selbst nicht . . Ich habe nie
vergessen, wie gütig Sie waren, und Sie nie fühlen
lassen, was ich darunter gelitten habe, als Sie aufhörten,
es zu sein. Ich weiß auch, daß ich meine Schulden
gegen Sie nicht abtragen kann. Bei gewissen Spenden
kann man nur den Empfang bescheinigen, und die
Empfangsanzeige heißt in diesem Falle Diskreétion.
Ich weiß wohl, sie versteht sich von selbst. Das Aus—
schwatzen geheimer Gunst bekundet die niedrigste Ge—
sinnung. Davon spreche ich natürlich nicht. Aber es
gibt eine Gefahr ungewollter Indiskretion, Selbstverrat
unter dem Zwange seelischer, ja körperlicher Qualen.
Und die habe ich erlitten. Es mitansehen müssen, wie
ein geliebtes Weib sich abwendet, ist hart, schmerzlich;
aber dazu schweigen müssen, wie das geliebte Weib
einem Unwürdigen sich zuwendet und von der Höhe,
auf die man es gestellt hatte, hexabsteigt . . Ah!“
Er seufzte. Und es klang beinahe glaubhaft. Die
junge Frau hatte sich, laungsam den Kopf schüttelnd,