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im linken Mundwinkel — wenn das genügte, um als
vornehm zu gelten!
Der Arger der Frau Helene über Gräfin Valerie
schrieb sich in Wahrheit aus dem Gefühl her, daß die
temperamentlose Aristokratin, ohne sich irgendwie an—
zustrengen, als etwas Selbstverständliches sich eine ge—
wisse Überlegenheit anmaßte und sie in der Tat auch
übte, nach der Helene vergeblich trachtete. Was Helene
mühsam durch kluge Beobachtung und in gewissenhafter
Selbstzucht sich angeeignet hatte: die einfache Sicher—
heit der guten Formen in der Haltung, im Gespräch,
im Verkehr mit Untergebenen, Gleichgestellten und
Vorgesetzten — der Gräfin war es angeboren. Sie
tat unbewußt das Richtige, ohne nur zu wissen, daß
man es anders machen könne.
Gräfin Valerie hatte die Dreißig noch nicht erreicht,
die Helene schon seit fünf Jahren überschritten hatte.
Auch das war der Frau Kommerzienrat unangenehm.
Die Gräfin war aber lange nicht so hübsch wie die zier—
liche Helene, auch nicht so unterhaltend, für ihre Jugend
viel zu bequem und lässig; und trotz ihrer Gleichgültig—
keit gegen ihre Umgebung, trotz ihrer apathischen Träg—
heit behauptete sie immer die erste Reihe, und die an—
mutigere, liebenswürdigere und lebhaftere Frau Helene
mußte hinter sie zurücktreten.
Das war der verwöhnten reichen Frau Kommerzien⸗
rat natürlich sehr fatal.
Aber zwischen den beiden jungen Damen mußte
wohl auch noch irgend etwas Besonderes vorgefallen
sein. Die Gräfin machte mitunter Bemerkungen, die