327 —
fahren hatte, faßte sie einen raschen Entschluß.
Sie suchte eines Nachmittags bei Zeiten die arme
Familie auf, wusch und kleidete das kleine Mäus—
chen besonders sorgfältig, setzte sich mit ihm in
eine Droschke und fuhr an dem Hause in der Re—
gentenstraße vor, nachdem sie noch an der Ecke
einen Strauß gefüllter roter Mohnblüten gekauft
hatte, die das Kind der Mutter bringen sollte.
Leider war Frau Lotte ausgegangen. Aber
das Mädchen meinte, sie würde bald zurückkom—
men. Auch Renius, hieß es, sei nicht zu Hause.
So nahm Ursine ihr Kind an der Hand und ging
ins Wohnzimmer. Hier setzte sie sich mit dem
Mäuschen auf das Ecksofa und begann ihm Bücher
zu zeigen. Aber bald langweilte sich die Kleine
und die Mutter kam immer noch nicht. Um den
wohlhergerichteten Eindruck nicht zu zerstören,
wollte Ursine ihr eigentlich ein Herumtollen und
Spielen nicht erlauben. Aber allmählich siegte doch
die jugendliche Laune über die mütterliche Weis—
heit. Nach einer Weile kugelten sich beide in
tollem Gelächter auf dem Teppich herum.
Vom Wohnzimmer führten ein paar Stufen
zu dem Nebenraum empor; davor war eine Por—
tiere angebracht. So merkte Ursine nicht, daß
dort, herbeigelockt durch das in diesem Hause so
ungewohnte Kinderlachen, Renius erschienen war
und mit belustigter Miene schon seit längerer Zeit
ihr Spiel mit dem Kinde beobachtete. Es machte
ihm Freude, aus seinem Versteck heraus die katzen⸗
artige Behendigkeit zu bewundern, mit der Ursine
unter den haschenden kleinen Händen sich wand