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Full text: Das grüne Huhn / Reicke, Georg (Public Domain)

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fahren hatte, faßte sie einen raschen Entschluß. 
Sie suchte eines Nachmittags bei Zeiten die arme 
Familie auf, wusch und kleidete das kleine Mäus— 
chen besonders sorgfältig, setzte sich mit ihm in 
eine Droschke und fuhr an dem Hause in der Re— 
gentenstraße vor, nachdem sie noch an der Ecke 
einen Strauß gefüllter roter Mohnblüten gekauft 
hatte, die das Kind der Mutter bringen sollte. 
Leider war Frau Lotte ausgegangen. Aber 
das Mädchen meinte, sie würde bald zurückkom— 
men. Auch Renius, hieß es, sei nicht zu Hause. 
So nahm Ursine ihr Kind an der Hand und ging 
ins Wohnzimmer. Hier setzte sie sich mit dem 
Mäuschen auf das Ecksofa und begann ihm Bücher 
zu zeigen. Aber bald langweilte sich die Kleine 
und die Mutter kam immer noch nicht. Um den 
wohlhergerichteten Eindruck nicht zu zerstören, 
wollte Ursine ihr eigentlich ein Herumtollen und 
Spielen nicht erlauben. Aber allmählich siegte doch 
die jugendliche Laune über die mütterliche Weis— 
heit. Nach einer Weile kugelten sich beide in 
tollem Gelächter auf dem Teppich herum. 
Vom Wohnzimmer führten ein paar Stufen 
zu dem Nebenraum empor; davor war eine Por— 
tiere angebracht. So merkte Ursine nicht, daß 
dort, herbeigelockt durch das in diesem Hause so 
ungewohnte Kinderlachen, Renius erschienen war 
und mit belustigter Miene schon seit längerer Zeit 
ihr Spiel mit dem Kinde beobachtete. Es machte 
ihm Freude, aus seinem Versteck heraus die katzen⸗ 
artige Behendigkeit zu bewundern, mit der Ursine 
unter den haschenden kleinen Händen sich wand
	        
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