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Mutter: „Darauf kommt es wohl nicht an?“
(Es war jetzt schon eine gewisse Schärfe in ihrem
Ton.)
Ursine: „Das wollte ich nicht sagen, aber
das kann doch nicht ausschlaggebend sein für den
Verkehr, den ich mir suche.“
Mutter: „Ich bin anderer Ansicht; so lange
du von uns abhängig bist, hast du dich auch nach
unseren Wünschen zu richten.“
Jetzt machte Ursine eine kleine Pause. Sie
hatte den Rand des roten Korbstuhles, der vor
ihr stand, umklammert; es war, als ob der äußere
Druck ihr inneren Halt geben sollte.
„Mutter,“ begann sie wieder, „ich fürchte,
wir verstehen uns nicht; aber ich glaube, ich muß
diesmal nach eigner bester Ueberzeugung
handeln.“
Frau Lotte hörte das leise Zittern in ihrer
Stimme. Sie zog die Füße von dem Stuhl zu—⸗
rück und richtete sich in ihrem Sitze empor.
„So — dann verbiete ich's dir einfach!“ sagte
sie gereizt.
Ursine blieb äußerlich noch ruhig: „Mit
welchem Recht, Mutter?“
„Eben als Mutter,“ warf ihr Lotte rasch ent⸗
gegen. „So lange du von mir abhängig bist,
nehme ich das Recht in Anspruch, dich zu leiten.“
Ich fühle mich aber gar nicht mehr so ab—
hängig. Von deiner Liebe ja, aber nicht von
deinen Ansichten!“
Nun wurde es Frau Lotte zu viel. Sie
erhob sich; es war ihr in diesem Augenblick ange—