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zustellen, denn bald sah er sich von einem Kreis
von Herren und Damen umringt, die, wie er es im
stillen gefürchtet hatte, ihn komplimentierten und mit
Fragen auf ihn einstürmten. Alle fanden es ungeheuer
interessant, aus erster Quelle über das neue Theater
unterrichtet zu werden. Eine dickgepuderte Dame
meinte, es müßte doch himmlisch sein, so etwas Groß⸗
artiges zu schaffen. Eine andere erzählte ihm, daß
sie sein Bild gesehen und ihn sich ganz anders vor—
gestellt hätte. Eine dritte wünschte zu erfahren, wer
bereits alles engagiert sei.
Und als er auf die Frage, womit eröffnet werden
würde, prompt erwiderte, daß als erste Vorstellung
der „Sommernachtstraum“ in Szene gehen würde,
erreichte diese Unterhaltung den Gipfel der Komik;
denn nun wollte ein kahlköpfiger Herr durchaus
wissen, von wem dieses Stück sei.
Keßler wunderte sich später selbst, daß er in dieser
Situation seinen Ernst gewahrt und mit Würde und
Ruhe, als ob es mit der Frage gar nichts auf sich
hätte, die Antwort gegeben hatte: „Der Verfasser
heißt Shakespeare!“
Man rief zur Tafel, und Keßler führte Fräulein
Doris zu Tische.
Als man Platz genommen hatte, sagte sie:
„Ich möchte jetzt in Ihrem Innern lesen!“
Er entgegnete mit leichtem Spott:
„Sie tun es ja bereits, mein Fräulein!“
„Glauben Sie ?“
„Ich weiß es.“